Lars Baumgürtel, geschäftsführender Gesellschafter der ZINQ Gruppe, spricht über notwendige wirtschaftspolitische Weichenstellungen, stabile Energieversorgung, wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft und wie wir unsere Industrie mit Innovationen zukunftsfähig machen können.
Herr Baumgürtel, Sie setzen sich für die Interessen der energieintensiven Industrie im Mittelstand ein und suchen aktiv den politischen Dialog. Warum ist es wichtig, dass sich die Wirtschaft engagiert?
Lars Baumgürtel: Die Wirtschaft ist der Motor unserer Gesellschaft, und dieser Motor gerät zunehmend ins Stottern. Unsere Wirtschaft schrumpft – mit weitreichenden Folgen. Die geopolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändern sich dramatisch – nicht nur weltweit, sondern auch in Europa und in Deutschland. Deshalb muss sich die Wirtschaft aktiv in die Debatte einbringen, um gemeinsam mit der Politik und den europäischen Partnern eine zukunftsfähige Wirtschaftsstrategie zu entwickeln. Der Mittelstand spielt dabei eine zentrale Rolle, denn er ist der Motor für Innovation und Wertschöpfung. Das Potenzial und die Wirtschaftskraft in Europa sind groß und sollten nicht unterschätzt werden. Gemeinsam haben wir die Kraft, den Wandel erfolgreich zu gestalten und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Wir als Familienunternehmen müssen jetzt die Stimme erheben: wenn die industrielle Basis ins Rutschen gerät, verlieren wir alle.
Sollte sich die künftige Bundesregierung auf zentrale Branchen fokussieren, um den Wirtschaftsstandort zu stärken?
Nein, in unserer Wirtschaft sind alle Sektoren eng miteinander verflochten. Eine Fokussierung auf einzelne Branchen greift daher zu kurz. Wir sind aufgrund unserer vielfältigen Wirtschaftsstruktur belastbarer als andere Volkswirtschaften. Unsere Wertschöpfungsketten reichen von der Grundstoffindustrie bis zum Endabnehmer. Deshalb brauchen wir alle Sektoren – energie- und rohstoffintensiven Industrie ebenso wie Dienstleistungen und Handel. Die Fähigkeit, unsere Industrie gleichzeitig nachhaltig und wettbewerbsfähig umzustrukturieren, ist entscheidend für den Erhalt unseres Wohlstands. Kurzum: Ein „Weiter so“ ist keine Option. Die Bundesregierung muss Rahmenbedingungen so gestalten, dass unternehmerische Gestaltungskraft Innovationen und Investitionen entfesselt. Optimale Standortbedingungen sind eine notwendige Voraussetzung, um die massiven Kapitalabflüsse aus Deutschland zu stoppen. Dafür bleibt wenig Zeit.
Was sollte die neue Regierung als Sofortmaßnahme zur Bekämpfung der Deindustrialisierung unternehmen?
Unabhängig von Größe und Branche steht die Entlastung bei den Energiekosten an erster Stelle. Konkret bedeutet dies, die Netzentgelte für Strom zu senken und wettbewerbsverzerrende Zusatzbelastungen abzubauen. Beim Erdgas sollte der CO2-Preis eingefroren werden, um Planungssicherheit zu gewährleisten. Diese Maßnahmen sind unerlässlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu sichern.
Darüber hinaus brauchen wir schnellstmöglich eine Industriestrategie, die den Namen auch verdient hat. Diese muss konkrete Rahmenbedingungen schaffen, die Investitionen und Innovationen fördern und Maßnahmen aufzeigen, wie unnötige Bürokratie und ineffiziente Regulierung abgebaut wird. Sie muss auch Antworten darauf geben, wie die energieintensive Industrie zu wettbewerbsfähigen Kosten mit CO2-neutraler Energie versorgt werden kann und wie wir eine verlässliche Rohstoffsicherung durch eine wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft schaffen.
Welche Voraussetzungen sind für eine erfolgreiche Industriestrategie erforderlich?
Es braucht Entscheidungsträger, die auf die komplexen Zusammenhänge eingehen können, die die Wirtschaft kennzeichnen, und bereit sind, den Dialog mit Unternehmerinnen und Unternehmern auf Augenhöhe zu suchen. Es darf keine Politik geben, die auf theoretischen Modellen basiert und daher an der Realität vorbeigeht. Stattdessen sollten praxisorientierte Ansätze verfolgt werden, die verhältnismäßig sind und keine Fehlallokationen oder sogenannte „Green Lock-Ins“ fördern.
Ein Beispiel dafür: Derzeit subventionieren wir die Stromerzeugung aus Erneuerbaren mit 20 Mrd. Euro pro Jahr, um dann überschüssigen Strom in den Boden abzuleiten, weil Erzeugung und Verbrauch nicht synchronisiert werden können und die Übertragungs- und Verteilungsinfrastruktur fehlt. Wir wenden also einerseits immense Summen für die Stromwende auf, andererseits stehen für die energetische Transformation des gesamten industriellen Mittelstands bis 2030 insgesamt nur 3 Mrd. Euro zur Verfügung. Hier muss eine neue Balance gefunden werden.
Können wir uns die Transformation überhaupt noch leisten?
Wir müssen uns die Transformation leisten, denn es ist die einzige Chance, eine wettbewerbs- und zukunftsfähige Industrie in Deutschland und Europa zu erhalten. Und das ist eine zentrale Aufgabe. Wirtschaftswachstum bildet die Grundlage für die Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben. Über 60% der Gesamtsteuereinnahmen, die sich derzeit auf einem Höchstniveau befinden, kommen aus Transfers von Arbeitgebern an Arbeitnehmer, entweder über Einkommenssteuern oder über Umsatzsteuer auf Konsum. Dieses Niveau an Steuereinnahmen zu halten, geht nur durch eine Wirtschaft, die Arbeit schafft und wächst. Doch um dieses Wachstum zu erhalten und zu steigern, müssen mehr Mittel in die Infrastruktur und in die Förderung der Transformation der Wirtschaft investiert werden. Hier hat die neu gewählte Bundesregierung nicht mehr als die kommende Legislatur Zeit, um umzusteuern. Es müssen im Haushalt neue Prioritäten gesetzt und ausreichend Mittel bereitgestellt werden, um die industrielle Transformation zu unterstützen und damit die wichtigen, wohlstandserhaltenden Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern.
Klimaneutralität ist das richtige Ziel, aber wir müssen den Weg dahin leistbar gestalten. Nicht über Verbote, Verordnungen, Kontrolle – überall und jederzeit. Wir brauchen mehr pragmatische Ansätze zur schnellen Umsetzung und das Wiederaufleben unternehmerischer Souveränität. Auf dem Weg zur Klimaneutralität werden mit Sicherheit Fehler gemacht; wir brauchen daher auch eine neue Risikokultur – sowohl bei den Unternehmen als auch in den Behörden. Transformation findet nicht an den Schreibtischen in Berlin oder Brüssel statt, sondern vor Ort. Eine kluge Rahmensetzung gibt den Unternehmen die Möglichkeit, ihren individuellen Transformationspfad über Innovationen und Investitionen zu optimieren.
Ein Beispiel: eine erfolgreiche Transformation braucht CO2-neutrale Energie – je mehr, desto besser. Dazu gehört auch Wasserstoff, doch der Markthochlauf geht nicht schnell genug voran. Während wir in Deutschland noch in Diskussionen stecken und orakeln, wie teuer oder billig Wasserstoff in 10 Jahren sein könnte, werden die ersten Standorte von ZINQ in Belgien bereits 2029 an das in Bau befindliche Wasserstoffnetz angeschlossen. In Deutschland ist es völlig unklar, ob und wann der industrielle Mittelstand an das Wasserstoffnetz angeschlossen wird. Das zeigt unser Problem: zu viel Theorie, zu viele Modelle, zu viel Think Tanks. Zu wenig Handlung.
Die deutsche Wirtschaft treibt die Transformation bereits intensiv voran, leidet aber unter Bürokratie. Was muss sich ändern?
Regulierung auf allen Ebenen und die Vielzahl von Berichtspflichten erschweren nachhaltiges Wirtschaften. Bürokratie lenkt von der eigentlichen Aufgabe, der Transformation ab. Nur Berichten um des Berichtens willen erzielt keine Wirkung und bringt uns auch nicht weiter. Noch schlimmer ist aber das Streben nach absoluter Sicherheit: in der Verwaltung gibt es keine Risikokultur, sondern den Anspruch, alle Risiken rechtssicher auszuschließen. Deswegen dauern Genehmigungen in Deutschland ewig. Und wenn etwas neu, innovativ ist, hat die Verwaltung keine Spielräume. So werden Regeln zum Sargnagel der Wirtschaft. Es ist nicht nur eine Frage von Vorschriften oder Regelsetzung, sondern vor allem eine Frage von Haltung und Vertrauen.
Ein konkretes Beispiel: Im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung sehen wir massive Redundanzen. Europäisches Reporting nach ESRS, Taxonomie, Lieferkettensorgfaltspflichten nach CSDDD und CBAM – das überfordert die Unternehmen, die transformieren wollen. Dabei muss das Ziel klar sein: wir brauchen nachhaltige, umweltfreundliche, klimaneutrale Produkte. Wäre es nicht logisch und absolut ausreichend, wenn wir ausschließlich auf Produktebene berichten und sämtliche Umweltauswirkungen von Produkten offenlegen – vor allem Kunden und Konsumenten gegenüber? Nach der EU-Ökodesignverordnung ist das möglich, sogar gefordert. Dann wäre die gesamte unternehmensbezogene Nachhaltigkeitsberichterstattung überflüssig, die im wichtigen Scope 3 (also außerhalb der Unternehmenssphäre) von der Abgrenzung her nie funktionieren wird. Im Kern sollten Unternehmen verpflichtet sein, zwei Dinge sicherzustellen: als Unternehmen Social Fairness im Sinne der Lieferkettensorgfaltspflichten und am Produkt zirkuläre Qualität, also den Nachweis von Klimaneutralität im Sinne von triple zero (kein CO2, kein Abfall, keine Verschmutzung über den gesamten Lebenszyklus). Im Zweifel gilt: das Produkt lügt nie!
Wie können wir denn sicherstellen, dass sich zirkuläre Produkte auch verkaufen lassen?
Wer kreislauffähige Produkte entwickelt, muss auch die Chance bekommen, sich am Markt zu behaupten. Bei der Rahmensetzung für Märkte, auf denen zirkuläre Qualität der entsprechende Wert zugemessen wird, ist in erster Linie die Politik gefordert. Sie muss ein Level Playing Field schaffen, in dem die externalisierten Kosten berücksichtigt werden. Diese Kosten werden von Produkten außerhalb des Produktionsprozesses verursacht, also vor allem in der Nutzung und nach der Nutzung am Lebensende. Das Produkt, das schlechter für die Umwelt ist, darf nicht länger günstiger sein als die Variante, die über den gesamten Lebenszyklus deutlich weniger Umweltbelastungen verursacht. Um die derzeitige Herangehensweise an die Preisfindung für Produkte auf den Märkten zu ändern und den Umweltnutzen von Produkten in die Preisfindung einzubeziehen, müssen alle Daten über die Umweltauswirkungen von Produkten gesammelt, bewertet und komplett offengelegt werden. Dies sieht der Digitale Produktpass gemäß Ökodesignrichtlinie der EU bereits vor. Produktpässe sind eine riesige Chance, um Produkten in zirkulärer Qualität auf Märkten eine Chance zu geben, sich im Wettbewerb durchzusetzen.
Wir haben ein konkretes Beispiel, wie weit wir hier bereits sind: Gemeinsam mit Lieferanten und unseren Kunden haben wir einen zirkulären Produktpass entwickelt, in dem sowohl für den eingesetzten, grünen Stahl als auch für die zirkuläre Zinkoberfläche der Lebenszyklusfußabdruck nach den bereits geltenden EU-Standards für Umweltproduktdekalarationen berechnet und dokumentiert wird. Auf Basis bestehender Normen und Standards erhalten unsere Kunden drittvalidierte CO2-Gutschriften. Was jetzt noch fehlt, sind zirkuläre Leitmärkte, damit sich die Entscheidung für zirkulärer Produkte auch wirtschaftlich lohnt. Sinnvoll wären dazu ein Zertifikatshandel und ein CO2-Preis, der einerseits umweltschädlichere Produkte belastet und andererseits Produkte in zirkulärer Qualität entlastet. Einen solchen Emissionshandel unter marktwirtschaftlichen Bedingungen gibt es in Europa bereits, allerdings ist die CO2-Bepreisung im sogenannten EU-ETS derzeit auf die Emissionen in der Herstellung beschränkt und erfasst nicht die Gesamtemissionen eines Produktes. Dies ließe sich aber ändern, um auf zirkulären Leitmärkten nachhaltige Produkte wettbewerbsfähig zu machen.
Wie bewerten Sie die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie? Ist das der richtige Weg?
Es ist wichtig, eine strategische Zielsetzung für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft zu haben. Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie setzt in Deutschland dafür einen Rahmen. Allerdings fokussiert sie sich auf vor allem quantitative Quoten für Recyclate und setzt weiter auf Müllverbrennung und Deponierung. Sie ändert nichts an der Abqualifizierung wertvoller Sekundärrohstoffe als Abfall und setzt damit die in Deutschland vorherrschende Abfallwirtschaftsdenke fort. Die deutsche Kreislaufwirtschaftsstrategie steht damit zumindest in Teilen in Widerspruch zur bereits geltenden EU-Ökodesign Verordnung, die der nationalen Rahmensetzung übergeordnet ist, und vor allem auf Qualität der Produkte setzt. Deswegen muss die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie angepasst werden. Denn für eine echte Kreislaufwirtschaft braucht es ein zirkuläres Produktdesign im Sinne von Cradle-to-Cradle und unter Berücksichtigung der sogenannten R-Strategien. Dazu gehören neben Repair, Reuse, Repurpose und Refurbish vor allem Redesign und Replace, also das Weiterentwickeln von Produkten und die Substitution von nicht materialgesunden Rohstoffen. Die Kreislaufwirtschaft entwickelt ihr volles Potential erst durch eine lange Nutzungsdauer von Produkten und die Rohstoffsicherung am Ende des Lebenszyklus. Wir brauchen also einen Fokus auf „Slow the loop“ und „Close the loop“, um Rohstoffe in Produkten effizient und effektiv einzusetzen und sie am Produktlebensende in neuen Produkten der gleichen Qualität wiederverwenden zu können.
Wie bewerten Sie die aktuelle Energieversorgung in Deutschland hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie?
Deutschland hat ein strukturelles Energieproblem, und zwar in der heimischen Stromerzeugung: Strom aus Wind und Sonne sind volatil, die Industrie braucht aber eine zuverlässige Energieversorgung. Einerseits müssen wir Strom importieren, wenn wir Dunkelflauten haben, oder Kohlekraftwerke anschmeißen – mit katastrophalen Folgen für den CO2-Fußabdruck unseres Stromsystems. Andererseits erzeugen wir massive Stromüberschüsse, wenn Wind und Sonne – trotz der im europäischen Vergleich eher mittelmäßigen meteorologischen Bedingungen – die Netze fluten. Zusätzlich ist die Erzeugung regional nicht gleichverteilt: So wird im Norden Deutschlands zu viel Strom erzeugt, der mangels ausreichender Leitungskapazitäten nicht abtransportiert werden kann. Dann schalten wir die Erzeugung ab oder leiten den bereits zu viel erzeugten Strom in den Boden ab. Dieser Strom wird auch noch als Phantomstrom vergütet, das hat uns im vergangenen Jahr über 20 Mrd. € als Stromsubvention gekostet. Zur Wahrheit gehört auch: Diese Volatilität wird bei zunehmendem Ausbau von Wind und Solar in Deutschland proportional zunehmen. Bei dem angestrebten Ausbau auf mehr als 800 TWh Stromerzeugung werden Studien zufolge über 400 TWh Stromüberschüsse anfallen. Das alles macht Strom für die Industrie teuer. Strom ist nur bei „consumed as produced“ günstig. Die volatile Erzeugung von Strom bedeutet für die Industrie Preisschwankungen ohne Planungssicherheit und ein Strompreisniveau, das die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie größen- und branchenunabhängig massiv gefährdet. Wir brauchen daher sicher auch mehr Flexibilität auf der Verbraucherseite, aber vor allem: mehr Investitionen in Infrastruktur, intelligentes Lastmanagement und eine bessere Standortplanung für die Energieerzeugung im Abgleich mit den Großverbrauchern aus der Industrie. Das alles bedeute massive Investitionen, die den Strom kurz- und mittelfristig teurer machen werden und die Gefahr von Fehlallokationen und grünen Lock-Ins beinhalten. Zwar ist grundsätzlich der politische Ansatz für die Weiterentwicklung des volatilen Strommarktes „Nutzen statt Abregeln“ richtig; dies kann aber nicht bedeuten, dass allein die Nachfrageseite die Verantwortung für das Bereitstellen der notwendigen Flexibilität zugeschoben bekommt. Es ist für die Industrie schlicht nicht leistbar, für die Unzulänglichkeiten der deutschen Stromerzeugung einzustehen. Wir brauchen daher eine Energiewende mit Augenmaß und Ehrlichkeit bei Kosten und Wirtschaftlichkeit. Alle Möglichkeiten, wie wir unser Energiesystem nachhaltig und wirtschaftlich zukunftsfähig aufstellen können, müssen genutzt werden. Dazu gehört die Sektorkopplung, aber nicht nur. Wenn wir die Energiewende schaffen und unsere Industrie nicht überfordern wollen, dürfen wir nicht vergessen, dass bis heute mehr als zwei Drittel unserer Energie aus Gas, Öl und Kohle gewonnen wird. Unser Energiesystem braucht Moleküle. Aus gutem Grund: Energie in Form von Molekülen bedeutet, man bekommt den Energiespeicher direkt im Energieträger und die Energie lässt sich auch noch kostengünstig an jeden beliebigen Ort transportieren – am günstigsten als Gas per Pipeline. Niemand hat ein ähnlich großes Pipelinenetz und ähnlich große Kavernenspeicher für Gase wie Deutschland. Also sollten wir zusätzlich zur Sektorkopplung vor allem auf Energieträgerkopplung setzen, um die entsprechenden Flexibilitätspotentiale in der Industrie mit dem Ziel der Wettbewerbsfähigkeit freizusetzen.
Wie könnte ein solches flexibles System auf der Grundlage von Energieträgerkopplung aussehen?
Anders als Strom sind derzeit gasförmige Energieträger, wie sie beispielsweise in der industriellen Prozesswärme eingesetzt werden, nicht knapp und daher relativ günstig. Sie haben natürlich den Nachteil der Emissionen, wenn sie Kohlenstoff enthalten. Deswegen brauchen wir die Perspektive auf grünen Wasserstoff. Um diesen Wasserstoff günstig zu beziehen, sollten wir ihn aus den Regionen in Europa beziehen, wo er besonders günstig hergestellt werden kann. Denn grüner Wasserstoff ist nichts anderes als transportfähig und speicherbar gemachter Strom aus Wind und Sonne. Wenn wir diesen Strom unter optimalen Bedingungen produzieren, also nicht in Deutschland, und daraus dann Wasserstoff herstellen, kann grüner Wasserstoff perspektivisch eine wirtschaftliche Alternative zu Erdgas sein. Zusätzlich kann günstig importierter grüner Wasserstoff unser Energiesystem stabiler machen und die Kosten der volatilen Stromerzeugung abfedern helfen. Um die Stromkosten zu senken und die dafür notwendige Flexibilität zu schaffen, ohne die industrielle Nachfrage zwangszusteuern, braucht es die Energieträgerkopplung. Energieträgerkopplung meint die Möglichkeit, zusätzlich zu Strom mehrere CO2-neutrale Energieträger in energieintensiven Anwendungen einsetzen zu können. Eine unmittelbar umsetzbare Anwendung der Energieträgerkopplung wäre Smart Power-to-Heat: in der industriellen Prozesswärme kann in vielen Anwendungsfällen in der Grundlast Gas eingesetzt werden (zunächst Erdgas, später dann grüner Wasserstoff), um dann im Fall von Stromüberschüssen sofort mit voller Leistung auf Strom umzustellen. Statt überschüssigen Strom aus Erneuerbaren in teuren, ressourcenfressenden Großbatterien zu speichern, sollten wir diesen Strom wertschöpfend in industriellen Bestandsanlagen nutzen. Laut einer DBU-geförderten Studie des Klimahafens Gelsenkirchen, die in Kürze veröffentlicht wird, sind flexibel hybridisierte Prozesswärmeanlagen mehr als viermal günstiger als ein Batteriegroßspeicher!
Die flexible Hybridisierung funktioniert allerdings nur, wenn die Prozesswärme mit einer theoretischen Kapazität von bis zu 400 TWh gleichzeitig an die Versorgung mit Strom und grünem Wasserstoff angeschlossen wird. Deshalb sind sowohl die Anschlusskapazitäten für Strom in der Prozesswärme, aber auch der Markthochlauf von grünem Wasserstoff so wichtig. Und deshalb brauchen wir jetzt auch die Infrastruktur, um günstig produzierten grünen Wasserstoff aus unseren Nachbarländern, aus der EU zu importieren. Wasserstoff macht Strom in Deutschland kostengünstiger und wird durch Energieträgerkopplung zum Retter der Stromwende.
Über Lars Baumgürtel
Lars Baumgürtel ist seit 1992 geschäftsführend bei ZINQ tätig, seit 2008 ist er alleiniger Gesellschafter des Familienunternehmens in vierter Generation. Als Absolvent des Doppeldiplomprogrammes der Otto Beisheim School of Management (WHU Koblenz) und der Wirtschaftshochschule Lyon (EM Lyon) lag sein akademischer Schwerpunkt in den Bereichen Entrepreneurship, Marketing und Produktionswissenschaften. Der Unternehmer verfügt über jahrzehntelange Erfahrung als serieller Gründer/Company Builder auf internationalen/europäischen Märkten.
Expertise
Die Expertise von Lars Baumgürtel bezieht sich auf den industriellen Mittelstand und Familienunternehmen in der zirkulären Transformation sowie auf klimaneutrale Industrie und wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit.
In diesen Handlungsfeldern ist er Mitgründer und Sprecher mehrerer Netzwerke und Initiativen (InDUstrie, Transform to Zero/Circular Performer, Klimahafen Gelsenkirchen) und unterstützt das Wirtschaftsministerium in NRW im Kernteam des Industriedialogs und des Industriepakts. Er begleitet wesentliche Politikvorhaben zur Umsetzung der Circular Economy als Experte und Sachverständiger in Bundestagsausschüssen und im EU-Parlament (Nationale Wasserstoffstrategie, CO2-Bepreisung/nationaler Emissionshandel, EU-Ökodesignrichtlinie/Digitale Produktpässe, Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie).
Seit 1889 ist ZINQ auf Oberflächentechnik spezialisiert und heute Europas Marktführer im Bereich Korrosionsschutz auf Stahl durch Zink. Das Familienunternehmen entwickelt und appliziert nachhaltige Oberflächen, die Stahlprodukten eine lange Lebensdauer ermöglichen. Jedes Jahr schützt ZINQ an über 50 Standorten in Deutschland, Belgien, Niederlande, Frankreich und Polen mehr als 550.000 t Stahl vor Korrosion. ZINQ Technologie vergibt Lizenzen für patentierte Oberflächentechnologien an Dritte, beschäftigt 40 Entwickler und betreibt in Gelsenkirchen das größte F&E Zentrum der Branche. Als Klimaschutzunternehmen ist ZINQ Pionier der zirkulären Transformation: mit kohlenstoff-freien Energieträgern, Cradle to Cradle® zertifizierten Oberflächen seit mehr als 13 Jahren, geschlossenen Stoffkreisläufen und der Wiederverwertung aller Zinkoberflächen will ZINQ Triple-Zero-klimaneutral werden. ZINQ ist mit dem zirkulären Geschäftsmodell Planet ZINQ auf dem Weg zu zero carbon, zero waste und zero pollution.
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