In einem überraschenden Schritt hat die österreichische Regierung angekündigt, das Apothekensystem im Land zu liberalisieren. Diese unerwartete Maßnahme hat unterschiedliche Reaktionen innerhalb der Gesundheitsbranche hervorgerufen.

Die Reformpläne sehen vor, Apotheken in Österreich ähnliche Kompetenzen wie ihre deutschen Pendants im Bereich pharmazeutischer Dienstleistungen zu gewähren. Dies beinhaltet auch die Erleichterung der Gründung von Filialen und "ausgelagerten Abgabestellen". Während diese Pläne von der Apothekerschaft positiv aufgenommen wurden, stoßen sie bei der Ärzteschaft auf erheblichen Widerstand.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Deutschland treibt ebenfalls die Liberalisierung des Apothekensystems voran. In seinen Plänen ist vorgesehen, dass unter bestimmten Bedingungen Filialen von Apotheken ohne die Anwesenheit von Apothekern vor Ort operieren können. Diese sogenannten "Apotheken light" haben Bedenken innerhalb der Apothekerschaft ausgelöst. Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA, bezeichnete die Reform sogar als ein "Monopoly-Spiel im Apothekenwesen".

Im Gegensatz dazu begrüßt die Apothekerschaft in Österreich die ähnlichen Reformpläne der dortigen Regierung. Diese sehen vor, dass Apotheken künftig Medikationsanalysen und einfache Gesundheitstests wie Blutdruckmessungen durchführen dürfen. Gleichzeitig sollen die Öffnungszeiten flexibler gestaltet und die Gründung von Filialen sowie "ausgelagerten Abgabestellen" erleichtert werden. Die Apothekerkammer in Österreich betont, dass Apotheken oft die erste Anlaufstelle für Gesundheitsfragen sind und die Reform dazu beiträgt, die Kompetenzen der Mitarbeiter effizienter zu nutzen.

Es ist wichtig zu beachten, dass das Apothekensystem in Österreich von dem in Deutschland abweicht, da in Österreich keine Niederlassungsfreiheit, sondern eine Bedarfsplanung existiert. Die Reformpläne betreffen daher unterschiedliche Systeme in beiden Ländern.

Die Ärzteschaft hingegen sieht die geplanten Reformen kritisch und betrachtet sie als eine Auslagerung ärztlicher Versorgung an Apotheken. Sie betont, dass Apotheker nicht die erforderlichen Qualifikationen besitzen, um Patienten wie Ärzte zu versorgen. Die Tatsache, dass die Ärzteschaft nicht in die Reformüberlegungen einbezogen wurde, hat zu Spannungen zwischen den Berufsgruppen geführt.

Die geplante Reform wirft auch den Streit um ärztliche "Hausapotheken" in Österreich erneut auf. Ärzte haben unter bestimmten Bedingungen ein Dispensierrecht, das von der Ärzteschaft als gefährdet betrachtet wird.

Der Gesetzesentwurf wird derzeit von Ministerien und Verbänden geprüft und soll Anfang 2024 in Kraft treten. Die Reform des Apothekensystems in Österreich bleibt ein umstrittenes Thema und wirft wichtige Fragen zur zukünftigen Gesundheitsversorgung im Land auf.

Kommentar:

Die geplante Liberalisierung des Apothekensystems in Österreich zeigt, wie kontroverse Reformen im Gesundheitswesen die verschiedenen Interessengruppen polarisieren können. Die unterschiedlichen Ansichten von Apothekern und Ärzten betonen die Notwendigkeit eines ausgewogenen Ansatzes, der die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt. Diese Reform wird zweifellos weiterhin Gegenstand intensiver Diskussionen und Überlegungen sein, da sie das Potenzial hat, das Gesundheitswesen in Österreich erheblich zu beeinflussen.

Von Engin Günder, Fachjournalist

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