Am 14. Juni platzte die Bombe: Der Deutsche Mittelstandsanleihen Fonds, zuletzt rund 150 Millionen Euro schwer, wird aufgelöst. Die rund 80 Positionen des Fonds sollen Stück für Stück verkauft werden, die Einnahmen später unter den Anteilseignern aufgeteilt. Nicht nur sie müssen mit herben Verlusten rechnen, auch der Schaden für den Handel und die Emissionstätigkeit bei neuen Mittelstandsanleihen ist immens. Viel Vertrauen in den deutschen Mittelstand wurde zerstört. Dabei wäre dieser harte Cut vielleicht vermeidbar gewesen.
Grundsätzlich ist der Markt für deutsche Mittelstandsanleihen nichts für risikoscheue Investoren. Die Zinsen, die Inhaber von Mittelstandsanleihen jährlich erhalten, sind deutlich höher als etwa die Zinskupons von Staatsanleihen der Bundesrepublik oder von Unternehmensanleihen solider Dax-Konzerne. Den höheren Zins zahlen die Emittenten, weil sie genau wissen, dass die Verlustrisiken in diesem Segment höher sind. Schließlich rutschen immer mal wieder einzelne Unternehmen unerwartet in die Verlustzone oder sind schneller zahlungsunfähig als ein multinationaler Konzern mit mehreren Geschäftsfeldern.
Gemessen daran erwies sich der deutsche Mittelstand im Vergleich zu anderen Ländern immer wieder als solide, weil deutsche Mittelständler zumeist über ausreichend Eigenkapital verfügen, nur geringe Schulden haben und besonders solide wirtschaften. Der deutsche Mittelstand genießt international hohes Ansehen. Und das leidet nun unberechtigterweise unter der Schließung eines Fonds.
Dass ein Fonds im Segment der Small- und Midcaps auch schon mal ein faules Ei im Korb hat, kommt aber nun mal vor. Das Problem des Deutschen Mittelstandsanleihen Fonds war nun, dass er indirekt in eine Anleihe investiert war, deren Kurswert nicht mehr berechnet werden konnte. Dementsprechend konnte auch der Fonds insgesamt nicht mehr bewertet werden, ein Handel mit den Fondsanteilen war somit schon seit Mitte Januar nicht mehr möglich. Nun hat die Fondsverwaltungsgesellschaft den Fonds überraschend geschlossen und will ihn abwickeln, angeblich um Anlegerinteressen zu schützen.
Es hätte anlegerfreundlichere Lösungen gegeben
Dabei hätte es mit Sicherheit anlegerfreundlichere Möglichkeiten gegeben, die Schwierigkeiten des Fonds zu lösen. Beispielsweise hätten problematischen Wertpapierpositionen des Fonds in sogenannten Side-Pockets ausgelagert werden können, damit nur noch der liquide Rest der Positionen im Fonds verbleibt und die Fondsanteile weiter handelbar bleiben. Anleger kennen diese Art des Vorgehens noch aus der Finanzkrise, als die angeschlagenen Banken sie selbst belastende Vermögensbestandteile in so genannte „Bad Banks“ auslagern durften, damit sie die Bankbilanz nicht über Gebühr belasten. Side-Pockets sind sozusagen die „Bad Fonds“, die helfen, die Verluste zu begrenzen.
Oftmals gibt es an der Börse nur wenige Käufer und Verkäufer von Mittelstandsanleihen, das heißt, die Liquidität des Marktes ist gering. Oftmals werden die Papiere auch außerhalb der Börse direkt zwischen Investoren und Emittenten gehandelt. Wenn nun ein großer Fonds sein Portfolio aus deutschen Mittelstandsanleihen verkaufen muss, fallen dementsprechend schnell die Kurse für diese Papiere. Das belastet den Gesamtmarkt, weil Anleger Vertrauen in die Mittelständler verlieren. Auch Unternehmen, die sich nichts haben Zuschulden kommen lassen, kommen so an der Börse unter die Räder.
Zugang zum Kapitalmarkt ist für Mittelständler wichtig
Das haben Anleger ebenso wenig verdient wie der deutsche Mittelstand selbst. Im Gegenteil schaden die Kursverluste sogar der deutschen Wirtschaft. Weil die Unternehmen angesichts von Energiewende, Klimaschutzauflagen, hoher Inflation, hohen Zinsen und der notwendigen Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft vor immensen Aufgaben stehen, benötigen sie auch besseren Zugang zu Kapital. Die Kreditinstitute aber geben ihnen nur noch unter strengen Auflagen und nur gegen hohe Sicherheiten die gewünschten Darlehen. Ein Zugang der Mittelständler zum Kapitalmarkt ist daher wichtig und langfristig für viele Unternehmen zwingend nötig, um sich für die anstehenden Herausforderungen zu rüsten.
Nun ist aber das Misstrauen gegenüber deutschen Mittelstandsanleihen gestiegen. Damit wird auch eine Anleiheplatzierung für Mittelständler schwieriger. Der Markt unterstellt bei Anleihen aus dem Mittelstand mittlerweile deutlich höhere Ausfallraten als im historischen Durchschnitt. Die Ratingagentur Standard&Poors etwa hat für Anleihen mit einem BBB-Rating, also so gerade noch Investment-Grade-Anleihen, bei vier Jahren Laufzeit eine Ausfallquote von 1,6 Prozent errechnet, bei acht Jahren sind es 4,3 Prozent. Dass eine Fondsgesellschaft wegen eines singulären notleidenden Investments dem Gesamtmarkt so in Verruf bringt, ist nicht gerechtfertigt – und für Anleger wie Mittelständler gleichermaßen bedauerlich. Anleihe-Emittenten müssen das bei Platzierungen berücksichtigen, wollen sie verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.
Holger Hinz, Quirin Privatbank AG
Hinweis: Diese KOLUMNE erschien zunächst auf dem Kapitalmarkt-Blog der Quirin Privatbank.
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