Das Netz wird gefühlt dünner, weil mehr E-Autos drauf zugreifen.
Andreas Radics: „Wenn wir die aktuellen E-Auto-Zulassungszahlen und die der Ladesäulen im öffentlichen Raum, mit denen des letzten Jahres vergleichen, sehen wir sofort, dass der Ausbau der E-Auto-Ladeinfrastruktur viel zu langsam erfolgt.
Berylls hat wie im vergangenen Jahr für fünf wichtige europäische Märkte das Verhältnis zwischen der Anzahl zugelassener E-Autos und öffentlichen Ladesäulen analysiert. Mit 9,2 EVs, die sich eine Ladesäule teilen mussten, lag Deutschland in dieser Übersicht 2020 nur im Mittelfeld auf Rang drei. Die 2021er-Daten dagegen lassen Deutschland auf Rang vier abrutschen, weil mittlerweile statistisch 11,2 Autos von einer Säule mit Strom versorgt werden müssen. Auch die Niederlande, Frankreich und UK verschlechtern sich beim Verhältnis Ladesäule zu E-Autos. Nur Norwegen verbessert sich in diesem Punkt. Aber Norwegen fällt in diesem Vergleich ohnehin eine Sonderrolle zu, weil dort die private Ladeinfrastruktur bereits extrem gut ausgebaut ist. Das eher dünne öffentliche Netz ist deshalb in Norwegen kein Hemmschuh für den E-Autoboom.
Treiber für die Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Fahrzeugen und Ladepunkten, ist der Zulassungsboom für E-Autos in Westeuropa.
Die gute Nachricht: Deutschland liegt hier erstmals auf Platz eins, knapp vor den Niederlanden, dem langjährigen E-Auto-Musterland. Aber hier wie dort, hält der dringend nötige Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur nicht Schritt. In Deutschland beträgt der Zuwachs an E-Neuzulassungen gegenüber dem Vorjahr rund 35 %, während die Infrastruktur nur um 15 % gewachsen ist – viel zu langsam. Dass sich daran kurzfristig etwas ändert, ist unwahrscheinlich, bürokratische Hürden, der Chip- und Handwerkermangel sind hartnäckige Stolpersteine auf dem Erfolgspfad zum flächendeckend dichten Ladenetz.
Damit die E-Mobilität nicht an Moment verliert, sind offensichtlich flankierende Maßnahmen nötig. An erster Stelle steht der Netzausbau im privaten Raum, zu dem auch Ladepunkte auf Betriebsparkplätzen und beim Einzelhandel zählen. Es ist aber eben nicht die Infrastruktur allein, die die E-Mobilität attraktiv macht. Das zeigt das Beispiel Norwegen.
Zu sehr wenigen öffentlichen Lademöglichkeiten, kommen private Anschlüsse für die E-Autos. Vor allem aber hat die öffentliche Hand erkannt, dass ohne massive Förderung und Bevorzugung der EVs eine Verkehrswende nicht umsetzbar ist. Citymaut, Brückenmaut, Gebühren für die Benutzung von Fähren oder das Parken auf öffentlichen Parkplätzen entfallen weitestgehend für E-Autofahrer. Bei der Anschaffung wird auf die Kauf- und Mehrwertsteuer verzichtet und in Oslo dürfen Taxi- und Busspuren mitgenutzt werden. Das schnellere Vorankommen auf diesen Fahrstreifen im Berufsverkehr, kompensiert den zusätzlichen Zeitaufwand, den E-Autos durch die langen Ladezeiten haben, fast völlig. Dazu kommt, dass Norwegen mittlerweile nahezu komplett auf grünen Strom setzt und die dort fahrenden E-Autos zumindest im Betrieb CO2-neutral sind. Ein weiterer Pluspunkt in den Augen vieler Kunden.
Ohne Zweifel ist es richtig, die Ladeinfrastruktur in Deutschland mit Hochdruck weiter auszubauen. Wir machen es uns aber zu einfach, wenn wir glauben, dass der Erfolg der E-Mobilität allein an einem engmaschigen Ladenetz im öffentlichen Raum hängt. Ohne kreative flankierende Maßnahmen und ein einheitliches schlüssiges Konzept, dass Autos und Infrastruktur parallel fördert, werden wir die, im Koalitionsvertrag verankerten, 15 Millionen E-Autos im Jahr 2030 ganz sicher nicht erreichen.“
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