Wenn gut 130 holzbauinteressierte Architekten, Planer und Entscheider in Ebersburg-Weyhers zusammenfinden, kann der Anlass eigentlich nur das Architekten-Forum des DHV-Mitgliedsunternehmens Baumgarten sein. Bereits zum vierten Mal fand dort Anfang November die von der Architektenkammer anerkannte Fortbildungsveranstaltung statt. Das kompakte, bewusst auf einen Freitagnachmittag zugeschnittene Programm machte in faszinierender Vielfalt deutlich, warum dem Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen in Deutschland, Österreich und ganz Europa die Zukunft gehört.

Fünf hochkarätige Experten-Vorträge zeigten beim Architekten-Forum, wo die besonderen Herausforderungen für Planer im Holzbau liegen und worin sich das Bauen mit Naturwerkstoffen von konventionellen Abläufen unterscheidet. „Holz verfügt mit seinen günstigen Materialeigenschaften über großes technisches, ökologisches und ökonomisches Potenzial und ermöglicht Bauen in neuen Dimensionen. Der Einsatz von Holz erlaubt leichte und ästhetische Konstruktionen, lässt Stoffkreisläufe zu und senkt den Ressourcenbedarf wirkungsvoll. Richtig angewandt, ist das Bauen mit Holz zugleich höchst effektiver, nachhaltig wirkender Klimaschutz dank seiner Eigenschaft, der Atmosphäre schädliches Treibhausgas zu entziehen“, eröffnete Moderator Tobias Götz, Geschäftsführer bei Pirmin Jung Ingenieure, das Architekten-Forum 2017.

Bei der Errichtung von Ein- und Zweifamilienhäusern bereits seit Jahrhunderten bewährt, gewinnt der nachwachsende Naturwerkstoff Holz zur Deckung des immensen Wohnraumbedarfs auch im Mehrgeschossbau zusehends an Bedeutung. „Wir können unseren Kunden mit guten Konzepten durch intelligente Vorplanung beim Bauen bares Geld sparen und trotzdem Gebäude in praktisch jeder gewünschten Dimension qualitativ sehr hochwertig errichten“, umriss Geschäftsführer Volker Baumgarten den Mehrwert, den der prosperierende Holzbau in Deutschland Auftraggebern bringt (www.baumgarten-bauen.de)

Holzbau im Höhenflug

In der Tat wachsen Gebäude aus Holz in bislang kaum für möglich gehaltene Höhen: Beispielsweise entsteht derzeit im neuen Wiener Stadtteil „Seestadt Aspern“ das 84 m hohe Holzhochhaus HoHo, über das Architekt Oliver Sterl, Geschäftsführer des mit der Gesamtplanung beauftragten Architekturbüros Rüdiger Lainer & Partner, einen mitreißenden Vortrag hielt. Er führte aus, dass die Konstruktion vorgefertigter Wand- und Deckenelemente des Hybridgebäudes nennenswerte Vorteile bietet, die von der holztypischen Gewichtseinsparung im Vergleich zu konventionell hergestellten Elementen über den gefühlten Mehrwert der Sichtbarkeit des Naturbaustoffs bis hin zu außergewöhnlichen energetischen Qualitäten reichen. „Insgesamt werden beim HoHo Wien 3.600 m³ Holz verbaut, was einem rechnerischen CO2-Einsparpotential von 2800 t entspricht. Diese Menge Treibhausgas kann man vergleichen mit den Emissionen eines PKW, mit dem man über einen Zeitraum von 100 Jahren täglich eine Strecke von 40 km fährt“, erläuterte HoHo-Wien-Architekt Oliver Sterl.

Die Behörde plante mit

Bemerkenswert – und zur Nachahmung in Deutschland empfohlen – ist am HoHo-Projekt auch, dass das Wiener Architekturbüro Lainer (www.lainer.at) mit den österreichischen Behörden eine Schutzzieldiskussion über den erforderlichen Brandschutz führen konnte. Die österreichischen Bauaufsichtsbehörden schenkten den Argumenten pro Holz Gehör, rechneten alle relevanten Parameter gegen, prüften wohlwollend und planten am Ende sogar die Detailausführung mit! Undenkbar wäre das in Deutschland, dessen Baugesetzgebung aufgrund zahlreicher, aus weit zurückliegender Vergangenheit zumeist unreflektiert übernommener Restriktionen im internationalen Vergleich immer noch als „bedingt holzbaufreundlich“ gilt. Dazu meinte Dieter Wagner, der beim Holzbauunternehmen Baumgarten für Entwurf und Technik zuständig ist: „Holzbau ist Zukunft. Wir müssen den Holzbau auch in Deutschland so weiterentwickeln, dass wir über 30 Prozent Marktanteil kommen.“

300 m hohes Wohngebäude entsteht

Andere Länder machen es vor: Das definitiv weltweit höchste Gebäude aus Holz wird derzeit in England von PLP-Architekten geplant. Es soll in London in den Himmel wachsen, um die 1000 Wohneinheiten umfassen und nach Fertigstellung die Höhe des Pariser Eiffelturms erreichen: stolze 300 m. Technisch wäre ein solches Leuchtturm-Projekt auch in Deutschland möglich. Die rückwärtsgewandte Baugesetzgebung jedoch verhindert hierzulande diesen Fortschritt. Das schleunigst zu ändern, sollte sich die neue Bundesregierung – egal, wie sie sich zusammensetzt – auf die Fahnen schreiben, empfahl in Ebersburg auch Prof. Timo Leukefeld, Energiebotschafter der Bundesregierung (www.timo-leukefeld.de).

Energetisch anders wohnen

Prof. Leukefeld referierte in Ebersburg als Experte für energetisches Wohnen zum Thema Energieautarkie. Dabei stellte er fest, dass es im Planungsprozess häufig an ganzheitlichen Betrachtungsweisen mangelt: „Integrales Denken, das Wissen um Zusammenhänge, ist in der Baubranche großteils verlorengegangen. Wir müssen wieder für den Menschen planen, sonst nutzen alle technischen Parameter, nach denen wir uns beim Bauen richten, niemandem.“

Paradigmenwandel am Bau

Dadurch, dass moderne Gebäude zunehmend besser gedämmt werden, weisen sie einen immer geringeren Energiebedarf auf. Für die Energiewirtschaft hat das zur Folge, dass ihr ursprüngliches Geschäftsmodell, das lange Zeit im Verkaufen von Energie bestand, absehbar ersetzt werden muss. Diese Entwicklung wird zusätzlich dadurch beschleunigt, dass infolge immer günstigerer Photovoltaik-Module auf dem Weltmarkt und des Trends zur Selbstversorgung sowohl bei Gewerbebetrieben als auch bei Privathaushalten der Wettbewerbsdruck auf die Anbieter so stark zunimmt, dass sich der Strompreis marginalisiert. „Schon 2030 wird Strom fast nichts mehr kosten!“, prognostizierte der Freiberger Energie-Experte. Daraus ergibt sich, dass sich die Energiewirtschaft von einer Energiehandels- zu einer Dienstleistungsbranche wandeln muss. Die Wertschöpfung resultiert dann nicht mehr aus dem Strompreis, sondern beispielsweise aus der Planung energieautarker Gebäude.

Strom gibt es bald kostenlos

Dass Häuser ohne oder mit so gut wie keinem Bedarf an fremdbezogener Energie ausgerechnet von Energiekonzernen geplant werden, erscheint heute noch paradox, wird aber bald schon gängige Praxis sein. „Wir stehen in Europa vor einem grundlegenden Paradigmenwandel, bei dem das, was heute noch unvorstellbar scheint, schon bald wie selbstverständlich unseren Alltag prägt“, schloss Professor Leukefeld. (az)

Leistungsstarke Interessengemeinschaft: DHV, ZMH und 81fünf

Mit zusammen über 300 Mitgliedsbetrieben bilden der Deutsche Holzfertigbau-Verband e.V. (DHV, Ostfildern; www.d-h-v.de), die Vereinigung ZimmerMeisterHaus (ZMH, Schwäbisch Hall; www.zmh.com) und das Netzwerk 81fünf AG (Lüneburg; www.81fuenf.de) eine leistungsstarke Gemeinschaft, die übereinstimmende Interessen gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seit Dezember 2015 gebündelt artikuliert. Größte Organisation in diesem Verbund ist der DHV, der als zentrales Sprachrohr fungiert. Zu den Mitgliedsunternehmen der drei holzwirtschaftlichen Verbände, die das Bauen in Deutschland nachhaltig mitgestalten, zählen Holzfertigbaubetriebe, Architektur- und Planungsbüros sowie Zulieferfirmen aller baubeteiligten Gewerke. Darüber hinaus gehören Sägewerke, Baumaschinenhersteller sowie Dienstleister aus bauaffinen Branchen wie z. B. Gebäude-Energieberater, Statiker, Softwareentwickler, Vermessungsingenieure und Medienvertreter dem holzwirtschaftlichen Interessenverbund an. Das gemeinsame Ziel heißt Holzbau komplett: von der Beratung über die Planung und Vorfertigung bis zur bezugsbereiten Ausführung von Wohnhäusern, Büro-, Gewerbe- und Zweckbauten in allen erdenklichen Formen und Größen.

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