Nicht bezahlte, aber erbrachte Leistungen, gekürzte Honorare und Regresse sind seit Jahren ein Ärgernis für Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten kann jedoch einem drohenden Regress bei Richtgrößenüberschreitungen und Honorarkürzungen vorbeugen.

Unter Praxisbesonderheiten sind individuelle Merkmale oder Eigenheiten einer Arztpraxis zu verstehen, die die Vergleichbarkeit der Praxis mit dem Durchschnitt aller anderen Arztpraxen der gleichen Fachgruppe einschränkt oder unmöglich macht. „Der Gesetzgeber hat leider nicht genau festgelegt, was unter einer Praxisbesonderheit genau zu verstehen ist“, bedauert Larissa von Paulgerg, externe Datenschutzbeauftragte bei Ecovis in München.

Aus der Rechtsprechung lässt sich ableiten, dass nur solche Umstände in Betracht kommen, die sich auf das Behandlungs- oder Verordnungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe typischerweise nicht oder nicht in derselben Häufigkeit anzutreffen sind. Sie müssen geeignet sein, einen besonders hohen Fallwert zu begründen. Die Patientenschaft der Praxis müsste durch strukturelle Besonderheiten im Vergleich zu derjenigen der Fachkollegen mit gleichem qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen (QZV) geprägt sein. Und auf diese Besonderheit müsste der deutlich überdurchschnittliche Bedarf pro Fall bei den Leistungen, die von diesem Budget erfasst werden, zurückzuführen sein. Das könnten beispielsweise sein:

  • eine besonders hohe Zahl an Überweisungsfällen,
  • ein hoher Rentneranteil,
  • eine Unterversorgung am Praxisstandort.

Praxisbesonderheiten dokumentieren und glaubhaft darstellen

Ärzte sind gesetzlich zu einem wirtschaftlichen Verordnungsverhalten gezwungen. Um dieses kontrollieren zu können, setzen die Kassenärztlichen Vereinigungen jährlich arztgruppenspezifische, fallbezogene Richtgrößenvolumina als Durchschnittswerte fest. Überschreitet ein Arzt das Richtgrößenvolumen, kann das eine Wirtschaftlichkeitsprüfung auslösen, an deren Ende eine Regresspflicht stehen kann. Kann der Arzt für die Überschreitung der Richtgrößen jedoch Praxisbesonderheiten geltend machen, scheidet eine Regresspflicht aus.

Praxisbesonderheiten können also als Erklärung für einen besonders hohen Bedarf an Arznei- oder Heilmitteln, die häufige Verordnung teurer Arzneimittel oder das Ansetzen der Gesprächsziffern dienen. Vertragsärzte sollten sie spätestens im Widerspruchsverfahren geltend machen, andernfalls lassen sie sich nicht mehr berücksichtigen. An diesem Punkt konkretisiert sich die Mitwirkungspflicht des Arztes: Er muss die für ihn günstigen und nur ihm bekannten Umstände anzeigen und beweisen. Damit er den Beweis führen kann, hat er die Möglichkeit – innerhalb des Regelleistungsvolumens (RLV) oder des QZV –, einen Antrag zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten für bestimmte Leistungsbereiche zu stellen und damit eine Erhöhung des RLV zu beantragen. Das geht dann, wenn ein besonderer Versorgungsauftrag vorliegt und ein zur Fachgruppe deutlich abweichender Behandlungsbedarf dokumentiert ist.

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