Bieter können bei Vergaberechtsverstößen einen Anspruch auf Schadensersatz gegen öffentliche Auftraggeber haben. Wir zeigen Bietern mögliche Ansprüche und Rechtsfolgen auf.

Ausgangssituation

„Negativer Schadensersatz“

Ein Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses ergibt sich bei nationalen und europaweiten Ausschreibungen aus den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen „culpa in contrahendo“ gemäß § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB. Bei EU-Vergaben kommt zusätzlich der besondere Schadensersatzanspruch aus § 181 GWB zur Anwendung. Inhaltlich entsprechen sich die beiden Ansprüche weitestgehend.

Das erstattungsfähige „negative Interesse“ meint hierbei die Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren, also insbesondere Sach- und Personalkosten. Der Bieter ist bei erfolgreicher Geltendmachung finanziell so zu stellen, als hätte er von der Ausschreibung nie gehört. Gerade bei komplexen Vergabeverfahren können auch diese Kosten einen beträchtlichen Umfang annehmen.

Eine Besonderheit im Bereich europaweiter Vergaben regelt § 179 Abs. 2 GWB. Im Rahmen eines Schadensersatzprozesses ist das Gericht an die Entscheidung der Vergabekammer bzw. des Oberlandesgerichts gebunden. Wurde also z.B. im Nachprüfungsverfahren festgestellt, dass eine Verfahrensaufhebung oder der Ausschluss eines Bieters vergaberechtswidrig war, ist dies für den Schadensersatzprozess bindend. Der öffentliche Auftraggeber kann sich im Ergebnis also „nur“ noch gegen Umfang und Höhe des geltend gemachten Schadens wehren.

Sonderfall: „Positiver Schadensersatz“

Für öffentliche Auftraggeber ist die Pflicht zur Zahlung von positivem Schadensersatz der „worst case“.

  • Wurde der „falsche“ Bieter beauftragt, muss der Auftraggeber nicht nur den bezuschlagten Bieter für die Leistungserbringung vergüten, sondern auch den entgangenen Gewinn des klagenden Bieters begleichen.
  • Auch bei einer unzulässigen Verfahrensaufhebung ist der entgangene Gewinn zu bezahlen.

Die Geltendmachung von positivem Schadensersatz unterliegt allerdings hohen Anforderung und ist daher nur in Ausnahmefällen erfolgreich.

Nach dem BGH (Urt. v. 23.11.2021 – XIII ZR 20/19) muss der bei Zuschlagserteilung übergangene Bieter nachweisen, dass er bei vergaberechtskonformer Auftragsvergabe den Zuschlag hätte erhalten müssen.

Muss der Vergabeverstoß zuvor gerügt werden?

  • Der BGH hat (Urt. v. 18. Juni 2019, X ZR 86/17 und 17. September 2019, X ZR 124/18) entschieden, dass Bieter auch ohne vorherige Rüge Schadensersatz vor den Zivilgerichten erfolgreich einfordern können.
  • Im Einzelfall kann das Zivilgericht aber eine Kürzung des Anspruchs wegen Mitverschuldens gem. § 254 BGB vornehmen.

Praxishinweis

  • Wenn bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Vergaberechtsvorschriften verletzt werden und sich Bieter dadurch in ihren subjektiven Rechten verletzt sehen, können sich für Bieter Ansprüche auf Schadensersatz gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber ergeben.
  • Gerade in komplexen Verfahren, die für die Bieter einen großen finanziellen Aufwand bedeuten, sollten Bieter sich nicht scheuen, Schadensersatzansprüche auch tatsächlich geltend zu machen.
  • Auch wenn die erfolgreiche Geltendmachung von negativem Schadensersatz oftmals nur ein „Trostpreis“ für Bieter ist, hat das Risiko von Schadensersatzansprüchen eine „disziplinierende Wirkung“ auf Auftraggeber und trägt v.a. dazu bei, dass Verfahren nicht leichtfertig aufgehoben werden.

Autor: Dr. Karsten Kayser

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