Der auf Exporte in Nicht-OECD-Länder spezialisierte Kreditversicherer Credendo erkennt in einem schwierigen globalen Umfeld eine moderate wirtschaftliche Erholung in Südafrika. Nach der Aufhebung der Covid-19-Beschränkungen stieg das reale BIP-Wachstum 2021 dank Ausgaben privater Haushalte und staatlicher Investitionen auf 4,9 %, während für 2022 gemäß IWF-Weltwirtschaftsausblick ein Wachstum von 1,9 % erwartet wird. Trotz des Rückgangs gegenüber dem Vorjahr liegt das Wachstum damit über dem Vorpandemieniveau. Für die Grenzen des südafrikanischen Wachstums sieht Credendo sowohl temporäre als auch strukturelle Gründe. Die langfristige Ausschöpfung des vollen Potenzials Südafrikas erfordert die Lösung dauerhafter Strukturprobleme wie Energieknappheit, hohe Arbeitslosigkeit und Ungleichheit. So ist die südafrikanische Arbeitslosenquote seit dem Ende der Apartheid deutlich angestiegen und liegt nunmehr bei 35 %, was im Vergleich mit anderen Schwellenländern zu den höchsten Werten zählt. Darüber hinaus verursachten Überschwemmungen in KwaZulu-Natal im April beträchtliche Störungen der Handelsströme, während eine Wachstumsabschwächung bei wichtigen Handelspartnern (USA und Eurozone) sowie der Russland-Ukraine-Konflikt die Wachstumsgrenzen Südafrikas kurzfristig verschärfen werden. Wie viele andere Länder steht auch Südafrika vor der Herausforderung, die Inflation einzudämmen, ohne dabei den wirtschaftlichen Aufschwung zu gefährden. Im November 2021 startete die Zentralbank South African Reserve Bank eine sukzessive Anhebung des Leitzinses, was sich im Juni 2022 in einem Anstieg um 1 % gegenüber Vorjahr auf 4,75 % äußerte.

Der ANC (African National Congress) erzielte bei den Kommunalwahlen im November 2021 das schlechteste Ergebnis in seiner Geschichte, was die zunehmende Unzufriedenheit mit der Regierungspartei widerspiegelt. Neben den großen sozialökonomischen Hürden haben die von der Untersuchungskommission Zondo vorgelegten anhaltenden Berichte über Korruption und Unterwanderung des Staates (in Südafrika als State Capture bezeichnet) dem Ansehen des ANC weiter geschadet. Credendo sieht weiterhin eine erhebliche Gefahr gewaltsamer Proteste für den Fall, dass Jacob Zumas Bewährung aus medizinischen Gründen endgültig widerrufen wird. Die Reaktion könnte vergleichbar sein mit den Ausschreitungen nach seiner Festnahme im Juli 2021. Präsident Cyril Ramaphosa möchte auf der Wahlkonferenz im Dezember 2022 erneut für das Amt des auf fünf Jahre gewählten Parteivorsitzenden des ANC kandidieren. Ein aktueller Korruptionsbericht übt jedoch scharfe Kritik an der Rolle des Präsidenten in der Vertuschung des Diebstahls mehrerer Millionen US-Dollar in Fremdwährung. Dennoch sind seine Chancen weiterhin relativ solide, da er die einzige Führungspersönlichkeit ist, die auch jenseits der ANC-Wählerschaft Popularität genießt. Credendo erwartet nicht, dass Ramaphosas Mitstreiter um den ANC-Vorsitz ihn in dieser Frage allzu aggressiv angehen werden, da sie damit die Chancen ihrer Partei in den Parlamentswahlen des Jahres 2024 gefährden könnten. Im Vorfeld der Wahlen wird die Regierungspartei weiterhin mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Dazu gehören insbesondere die innenpolitische Rehabilitierung der Partei, die Stärkung der Institutionen zur Bekämpfung der systemischen Korruption bei gleichzeitiger Durchführung von Reformen zur Förderung von Investitionen und Entwicklung. Ein weiteres schwerwiegendes Risiko geht auf den Klimawandel zurück, da sich das Land in einem Dürregürtel befindet, während die Wirtschaft in hohem Maße von klimasensiblen Sektoren wie Landwirtschaft, Tourismus und Forstwirtschaft abhängig ist. Sich verändernde Niederschlagsmuster und steigende Temperaturen führen darüber hinaus zur Ausbreitung von Krankheiten und verschärfen gesellschaftliche Spannungen.

Seit 2019 steht die öffentliche Finanzlage Südafrikas zunehmend unter Druck. Dies ist auf umfangreiche Finanzhilfen für angeschlagene öffentliche Institutionen (insbesondere Eskom), höhere Finanzierungskosten sowie die enormen Lohnausgaben des öffentlichen Sektors zurückzuführen. In jüngerer Zeit scheinen die südafrikanische Haushalts- und Außenhandelsbilanz jedoch von den hohen Preisen der Hauptexportgüter im Metall- und Bergbaubereich zu profitieren, die eine Folge des Kriegs in der Ukraine sind. Tatsächlich werden die gestiegenen Importkosten für Öl und Nahrungsmittel von den hohen Gold-, Platin- und Kohlepreisen ausgeglichen. Dieser zusätzliche Anstieg der Steuereinnahmen wird den prognostizierten Anstieg der Staatsverschuldung (die Ende dieses Jahres gemäß Schätzungen bei 70 % des BIP liegen wird) verlangsamen. So erreicht das Gesamthaushaltsdefizit im Jahr 2022 laut aktuellen Vorhersagen 5,8 % und nicht, statt wie bisher erwartet, 7,5 %. Der 2021 und 2022 erzielte beträchtliche Handelsüberschuss wird zu einer positiven Leistungsbilanz führen, die wiederum den durch den Verkauf von Lokalwährungsbonds bedingten Abwertungsdruck auf den Rand abmildern wird. Tatsächlich hat die Möglichkeit Südafrikas zur inländischen Kreditaufnahme dem Land geholfen, die Auswirkungen der Pandemie auf seine Auslandsverschuldung zu bewältigen. Seit Anfang 2022 verkaufen ausländische Investoren ihre auf Lokalwährung lautenden, im Inland ausgegebenen Staatsanleihen. Da Südafrika jedoch einen starken heimischen Finanzmarkt aufweist, konnten die meisten Kapitalabflüsse durch inländische Käufe lokaler Investoren in Staatsanleihen ausgeglichen werden. Folglich hat der Anteil der im Inland gehaltenen Staatsverschuldung zugenommen, wodurch Südafrikas Gesamtauslandsverschuldung zurückgegangen ist. Dennoch hält Credendo eine kontinuierliche Haushaltskonsolidierung, Verwaltungsreformen und die Bewältigung anhaltender innerstaatlicher Herausforderungen für unerlässlich, um auf lange Sicht für tragfähige Staatsfinanzen zu sorgen. Ab 2023 dürfte die Leistungsbilanz wieder ein leichtes Defizit aufweisen, das Erwartungen zufolge vollständig finanziert wird.

Insgesamt bewertet der Kreditversicherer die generellen Aussichten für das Länderrisiko als stabil. Credendo bietet Deckungsschutz für Forderungen aus Exporten nach Südafrika. 

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