Vorwärts denken
„Aktienmärkte sind zukunftsorientiert und nicht seriell korreliert, weshalb die jüngsten Rückgänge – so angstauslösend sie auch sein mögen – keinen Hinweis darauf geben, wie es an den Aktienmärkten weitergeht“, betont Grüner. Ob diese zähe Abwärtsphase ihre Bodenbildung bereits erreicht habe oder nicht, sei keinesfalls der entscheidende Punkt. Auch sei es an dieser Stelle tatsächlich nicht besonders relevant, ob die Schwelle von minus 20 Prozent in einer bestimmten Währung unterschritten werde oder nicht. Viel wichtiger sei die Einschätzung, dass es sich bei dieser Abwärtsbewegung immer noch um eine Korrektur handele, nicht um einen globalen Bärenmarkt.
Rational abwägen
„Es mag sich um eine ungewöhnlich lange Korrektur mit starken Ausprägungen handeln, aber für einen langwierigen Bärenmarkt braucht es andere Geschütze“, so Grüner. In der Tat halte sich die Inflation hartnäckig, die Zinserhöhungen der Fed würden die Stimmung dämpfen, China kämpfe mit Lockdowns, der Russland-Ukraine-Krieg belaste weiterhin und steigende Energiepreise würden insbesondere in Deutschland und im gesamten europäischen Raum für Unruhe sorgen. Zu den unbeachteten positiven Faktoren gehöre jedoch, dass die Unternehmen über ein robustes Gewinn- und Umsatzwachstum verfügen. Die globale Zinsstrukturkurve sei positiv gekrümmt, die Banken hätten eine positive Kapitalausstattung bei kräftigem Kreditwachstum, die politischen Entscheidungsträger in China würden auf eine Stabilisierung der Wirtschaft umschewenken und vieles mehr.
„Unter dem Strich sorgen die vielfältigen Problemstellungen für eine starke Belastung der Marktstimmung“, so Grüner. „Aber sie verursachen keinen schwerwiegenden fundamentalen Abschwung, der einen ausgewachsenen Bärenmarkt rechtfertigen würde.“
Reaktionen werden provoziert
Eine negative Volatilität provoziere emotionale Reaktionen unter Anlegern. Wer sich von der sorgenvollen Stimmung anstecken lasse, läuft Gefahr, Risiken überzubewerten und nicht mehr auf Wahrscheinlichkeiten zu achten. In der Folge gerieten die langfristigen Anlageziele in den Hintergrund, Portfolioveränderungen würden zur Linderung der kurzfristigen emotionalen Belastung durchgeführt. „Konkret verlassen langfristig orientierte Anleger, die ursprünglich aktienähnliche Renditen als übergeordnetes Anlageziel ausgerufen haben, in einer negativen Marktphase den Aktienmarkt“, meint Grüner. „Viel zu oft geraten die langfristigen Ziele durch derartige Aktionen in Gefahr – nicht durch die Abwärtsbewegung an sich, denn diese sind ganz normale Bestandteile der langfristigen Aktienmarktentwicklung.“
Fazit
Aktienanleger hätten im Börsenjahr 2022 einen emotionalen Härtetest bestehen müssen. Hilfreich sei es dabei, weniger Finanzmarktnachrichten zu konsumieren und somit die tägliche Dosis an Schreckensmeldungen zu senken. „Tendenziell hilft es in emotionalen Phasen auch, seltener auf das eigene Portfolio zu schauen“, resümiert Grüner. Entscheidend ist es, den ‚Wohlfühlfaktor‘ gegen eine rationale Entscheidungsgrundlage einzutauschen. Das fällt in negativen Marktphasen schwer, ist aber der Schlüssel zum langfristigen Anlageerfolg.“
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