Alle Teilnehmende des Panels zum Thema Wasserstoff im ILA Future Lab waren sich einig: Wasserstoff hat das Zeug, die Luftfahrt klimaneutral zu machen. Doch Einigkeit herrschte auch, dass die damit zusammenhängenden Herausforderungen groß sind und weltweit gemeinsame Anstrengungen erfordern.

Die erforderlichen Technologien sind heute bereits vorhanden, um Wasserstoff, flüssig oder gasförmig für die Luftfahrt nutzbar zu machen, sei es in Brennstoffzellen für elektrische Antriebe oder zum direkten Antrieb moderner Gasturbinen, wie es in großen Passagierflugzeugen der Fall sein wird. Sie nun im großen Stil anzuwenden, wobei alle logistischen und sicherheitstechnischen Anforderungen der internationalen Luftfahrt beachtet werden müssen – das bedeutet für alle Beteiligten aus Wissenschaft und Wirtschaft, aus Politik und Verwaltung große Herausforderungen und finanzielle Aufwendungen, die nicht zu unterschätzen sind. Dabei arbeiten bereits heute Wissenschaft und Technik branchenübergreifend zusammen: Synergien gibt es bei der Wasserstofftechnologie in den Sektoren Automotive, Schifffahrt und Luftfahrt. Ausdrücklich standen in diesem Zusammenhang auch Forderungen nach geeigneten Rahmenbedingungen und Regulierung durch EU und nationale Regierungen im Raum. So müssen beispielsweise gemeinsame Standards definiert werden, um den hohen Anforderungen von Sicherheit und Logistik im „Ökosystem Flughafen“ gerecht zu werden.

Teilnehmer des Panels waren Dr. Stefan Kaufmann, Beauftragter für Wasserstoff beim Bundesforschungsministerium, Dr. Sabine Klauke, CTO Airbus, Dr. Uwe Lauber, CEO MAN ES/National Hydrogen Council, Dr. Luca Bedon, Head of Research and Technology von Avio Aero, Dominik Härle, Corporate Business Development Manager, Fraunhofer Gesellschaft, Prof. Josef Kallo, CEO H2Fly, Barnaby Law, Chief Engineer Flying Fuel Cell bei MTU Aero Engines, Alan Newby, Director Aerospace R&T, Rolls-Royce, Philippe Peccard, VP Clean Energy , LINDE, und Gerrit Rexhausen, Manager Corporate Innovation, Lufthansa Technik.

Klimaschutz in der deutsch-französischen Luftfahrt
Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft debattierten auf der ILA Berlin darüber, wie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Luftfahrt den Klimaschutz vorantreiben kann und welche Rolle dabei neue gesetzliche Vorgaben spielen können.

Die Zeiten, in denen Klimaschutz nur eine Sache des guten Willens von Unternehmen war, sind vorbei. Darauf wies der Rechtswissenschaftler Lukas Rass-Masson von der ESL Toulouse – European School of Law in der Diskussionsrunde mit dem Thema „Pflicht zum Handeln?! Die deutsch-französische Luftfahrt und der Klimaschutz“ auf der ILA Berlin hin. Das zeigten erste europäische Gerichtsurteile. Mehrere Gesetze wie der ab 2023 in Deutschland in Kraft tretende Supply Chain Act verdeutlichen, dass Menschenrechte und Klimaschutz auch in der Flugzeugindustrie wichtiger werden. In Frankreich seien vergleichbare Regelungen für den Umweltschutz bereits in Kraft. Unternehmen seien wichtige Player in der Bekämpfung des Klimawandels, unterstrich Lukas Rass-Masson. Ihnen drohten in naher Zukunft rechtliche Konsequenzen, wenn sie Klima- oder Menschenrechte verletzten, ganz abgesehen von der rufschädigenden Wirkung, so Rass-Masson. 

Wasserstoffproduktion am Flughafen
Mit einer Studie seines Beratungsunternehmen Comworxx möchte Managing Director Hugo Duchemin die Produktion von grünem Wasserstoff auf Flughäfen vorantreiben. Damit soll bereits jetzt die Infrastruktur geschaffen werden, damit in etwa zehn Jahren die ersten Flugzeuge mit der Kerosin-Alternative fliegen können. Auch andere Sektoren wie Bahn und Trucks könnten davon profitieren. Großflughäfen wie der BER oder der Airport Toulouse-Blagnac sowie Kraftstoffhersteller zeigten Interesse, unterstrich Hugo Duchemin. Um die neue, nicht von Beginn an profitable Technologie zu finanzieren, seien staatliche Finanzierungen, die beispielsweise in Australien bereits üblich sind, oder Steuerreduzierungen, wie sie in den USA angedacht werden, denkbar. Gemeinsam könnten Akteure aus Deutschland und Frankreich mehr Druck auf die Politik ausüben, um auf europäischer Ebene Veränderungen herbeizuführen.

Bei der Erprobung neuer Fluggeräte und der nötigen Infrastruktur spielten kleine Flugplätze eine wichtige Rolle, erläuterte Klaus-Jürgen Schwahn. Er ist Geschäftsführer des Flugplatzes Schönhagen sowie Vorsitzender der Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze (IDRF). Schon lange ist nachhaltige Luftfahrt für ihn ein Thema. Start-ups dürfen ihre Fluggeräte in Schönhagen ausprobieren. Es gibt Kooperationen mit Hochschulen. Auf dem Podium prophezeite er eine Disruption der Luftfahrt und plädierte für eine Vernetzung verschiedener Mobilitätslösungen. Der Betrieb der Flughäfen müsse neu gedacht und jetzt eingeleitet werden. Mit dem Innovate to Fly-Fund stellte er eine Alternative zur konventionellen CO2-Kompensation vor. Mit einem freiwilligem Zusatzbeitrag können Fliegende helfen, klimaschonende Technologien voranzubringen.

Die neue Art der Fortbewegung

Auf der ILA Berlin tauschten sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft zu den Chancen und Hindernissen von Advanced Air Mobility (AAM) in Deutschland aus. Die Teilnehmenden diskutierten, welche Bedingungen die Entwicklung autonom und elektrisch fliegende Fluggeräte beschleunigen könnten und welche Einsatzgebiete vorstellbar seien.

Mit dem autonom betriebenen Lufttaxi vom Airport in die City fliegen? Wenn es nach Florian Reuter, CEO von Volocopter, geht, soll das bald möglich sein. Sein Unternehmen hat mit dem „Volocity“ einen Zweisitzer entwickelt, der bereits in zahlreichen Ländern erfolgreich getestet wurde und auch auf der ILA Berlin 2022 ausgestellt ist. Volocopter profitiert an seinem Standort im badischen Bruchsal von der engen Vernetzung mit anderen Industrien, Hochschulen und Forschungsorganisationen. Allerdings fänden die deutschen E-Flug-Pioniere sowohl ihre Märkte als auch ihre Investoren eher im Ausland, erläuterte er auf dem „High Level Panel“ mit dem Titel „Europeans‘ novel way of moving: AAM Advancing Mobility“ in Halle 3 der ILA Berlin.

Ganz ähnlich schätzte Dr. Markus May, Managing Director bei Airbus Urban Mobility, die Lage ein. Airbus leitet in Bayern eine Initiative, die den elektrischen Flugverkehr zwischen Städten ermöglichen möchte. Nach Markus Mays Ansicht wäre es wünschenswert, wenn die in Deutschland entwickelten Technologien auch hier zum Einsatz kommen würden. Dafür brauche es auch eine entsprechende Test-Infrastruktur in Deutschland sowie unter anderem auch die Zusammenarbeit mit Flughäfen, um eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen.

Förderung auf europäischer Ebene

Dr. Anna Christmann, Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt und zugleich Beauftragte für digitale Wirtschaft und Start-ups, unterstrich die vielfältigen Förderungsmöglichkeiten auf deutscher und europäischer Ebene für innovative, klimaschonende Technologien. Zudem verwies sie auf die Teststrecke in Cochstedt in Sachsen-Anhalt, wo das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein Nationales Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme (UAS) aufbaut. In sogenannten Realloboren könnten zudem deutschlandweit unter realen Bedingungen innovative Produkte und Dienstleistungen ausprobiert werden. Für die neuen E-Flugzeuge sieht sie unterschiedliche Use Cases. Statt „Flugtaxis für alle“ sei eher der punktuelle Einsatz bei bestimmten Veranstaltungen denkbar. Auch für den Transport von Medikamenten könnten die E-Flieger nützlich sein.

Laut Dr. Joachim Lücking, Head of Aviation Safety, DG MOVE, European Commission, unterstütze die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA) die neuen Mobilitätslösungen. Es gelte aber noch, die Regularien anzupassen, die für die neuen Fluggeräte notwendig sind.

In zwei Jahren, so waren sich die Panel-Teilnehmenden einig, werde das Thema AAM, weitere wichtige Hürden genommen haben und auf der ILA Berlin 2024 sicherlich eine noch prominentere Rolle spielen.

Roland Berger Sustainability Keynote

Mehr Nachhaltigkeit in der Zuliefererindustrie

Inwiefern sind Zulieferer in der Luftfahrtindustrie auf einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit vorbereitet? Dieser Frage geht eine neue Studie der Unternehmensberatung Roland Berger nach, die im Rahmen einer „Sustainability Keynote“ auf der ILA Berlin vorgestellt wurde.

Die Mehrheit der Zulieferer der Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland und Frankreich sei sich der Notwendigkeit bewusst, die Kohlenstoffemissionen stark zu reduzieren. Mit der Entwicklung nachhaltiger Luftfahrttechnologien tragen sie zu einem Wandel der Luftfahrtindustrie bei. Mit einer Befragung unter 89 Zuliefern aus Deutschland und Frankreich untersuchte die Unternehmensberatung Roland Berger, welche Rolle diese Technologien in den Unternehmen spielen.

Etwa zwei Drittel der befragten Firmen arbeiteten bereits an nachhaltigen Innovationen. Dabei seien es besonders die größeren, die sich auf diesem Gebiet betätigen. Der Mehrheit gehe die Entwicklung jedoch nicht schnell genug. Haupthindernisse seien laut den befragten Unternehmen fehlende finanzielle und personelle Ressourcen, mangelndes Know-how sowie eine fehlende Anleitung durch die Flugzeughersteller.

SAF allein reichen nicht aus

Ein Fokus der Unternehmen liege momentan auf Treibstoffen für konventionelle Flugzeuge und Antriebskonzepte. Nur eine Minderheit der Umfrageteilnehmer hält Wasserstoffverbrennungs- oder Elektroantriebe für vielversprechende Technologien, um das Ziel der International Air Transport Association (IATA) zu erreichen, bis 2050 netto keine Kohlenstoffemissionen zu verursachen. Diese Annahme unterstützt Dr. Dietrich Brockhagen, Gründer und CEO von Atmosfair, den das Team von Roland Berger für seine Studie befragte. Laut seiner Einschätzung werde Sustainable Aviation Fuel (SAF) nicht ausreichen, um das Net-Zero-Ziel zu erreichen. Eine gemeinsame Roadmap, auch im Bereich der grünen Energien, wäre nötig, um weitere Fortschritte zu erreichen.

Das wünschen sich auch die Befragten. Um eine aktive Rolle einzunehmen in der Entwicklung nachhaltiger Technologien und um das Tempo zu steigern, hätten die Zulieferer gerne mehr Unterstützung der Flugzeughersteller. Gemeinsame Forschung und Entwicklung sowie ein transparenter Zeitplan zu voraussichtlichen Auftragsvolumina würden ihnen helfen.

Doch auch die Politik sei gefragt. Regierungen könnten durch die Entwicklung und Kommunikation kohärenter und langfristiger politischer Rahmenbedingungen im Hinblick auf eine nachhaltige Luftfahrt unterstützen. Mehr Mittel für Forschung und Entwicklung sollten bereitgestellt werden. Auch Industrieverbänden schreibt die Studie eine wichtige Rolle für die Zuliefererindustrie zu.

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