Wasserflaschen, Zahnbürsten, Spielzeug oder Textilfasern – Kunststoffe sind allgegenwärtig und aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Doch die Plastikflut stellt inzwischen ein riesiges Müll- und Ressourcenproblem dar. Denn Kunststoffe werden fast ausschließlich aus Erdöl hergestellt und zerfallen in der Umwelt nur langsam. Eine Lösung könnten Biokunststoffe sein, die auf pflanzlichen Rohstoffen wie Mais, Zuckerrüben oder Cellulose basieren und biologisch abbaubar sind. Prof. Dr. Iman Taha von der Hochschule Aalen hat es sich zum Ziel gesetzt, die Forschung und Einführung biobasierter und biologisch abbaubarer Kunst- und Verbundwerkstoffe voranzutreiben. „Damit möchte ich nicht nur zur Nachhaltigkeit beitragen, sondern auch ein bisschen zur Ehrenrettung der Kunststoffe“, sagt Taha. Ihre Forschungsaktivitäten werden jetzt durch das Programm EXPLOR der Abtsgmünder Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur gefördert.

Еin Stück Zauberknete hat Taha immer in ihrer Tasche – um anhand dieses Silikonpolymers ihren Studierenden die enorme Vielseitigkeit von Kunststoffen zu demonstrieren. „Zauberknete kann man wie Kaugummi ziehen, wie einen Ball hochspringen oder auf dem Tisch zerfließen lassen. Es ist spannend, dass ein Material so diverse Eigenschaften in sich trägt“, sagt die Wissenschaftlerin begeistert und fügt lachend hinzu: „Bekommen meine Studierenden sie in die Hände, können sie nicht mehr die Finger davonlassen.“ Seit dem Wintersemester 2021/22 lehrt Taha an der Hochschule Aalen im Studiengang Kunststofftechnik.

Dass sie bei den Kunststoffen gelandet ist, war reiner Zufall. Denn von „Haus aus“ ist sie Maschinenbauerin, setzte sich aber im Rahmen ihrer Promotion mit naturfaserverstärkten Kunststoffen auseinander. „Dadurch habe ich gelernt, das Material zu mögen und zu respektieren, dass in der Bevölkerung gerade – natürlich auch aus nachvollziehbaren Gründen – ein schlechtes Image hat“, so Taha. Doch die Kunststoffe jetzt zu verteufeln, sei auch nicht der richtige Weg, ist die 44-Jährige überzeugt. Fürs Schwarz-Weiß-Denken hat sie sowieso nicht viel übrig, sondern vielmehr für die vielen Grauabstufungen und das Hinterfragen von Annahmen und Überzeugungen. „Papier beispielsweise hat gegenüber Plastik das bessere Image. Doch ganz so einfach ist die Rechnung nicht, wenn man sich die Herstellungsprozesse oder die Transportkosten aufgrund des höheren Gewichts näher anschaut.“

Die Professorin betont: „Natürlich ist bei den Kunststoffen ein Umdenken hinsichtlich Nutzung und Verwertung essenziell, um die Klima- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.“ Ein Schritt in diese Richtung sei der Einsatz sogenannter Biokunststoffe, wobei Biokunststoff nicht gleich Biokunststoff sei, „denn bislang gibt es noch keine genormte Definition dafür“. Derzeit unterscheidet man zwischen biobasierten Kunststoffen aus pflanzlichen Rohstoffen wie Holz oder Zuckerrohr und Kunststoffen, die beispielsweise mithilfe von UV-Strahlung, Mikroorganismen oder Feuchtigkeit biologisch abbaubar sind. „Ein absolut spannendes Forschungsfeld, zumal wir noch viel zu wenig in Hinsicht auf Verarbeitung, Eigenschaften und Langzeitverhalten wissen“, sagt Taha. Dies treffe ganz besonders auf Duroplaste zu, also Kunststoffe, die nach ihrer Aushärtung nicht mehr durch Erwärmung verformt werden können. „Hierfür entsprechende Biokunststoffe als Alternative zu finden, die die Anforderungen an Strukturbauteile erfüllen, ist eine ganz besondere Herausforderung.“

Doch Herausforderungen schrecken Taha nicht ab, ganz im Gegenteil. Die gebürtige Düsseldorferin ist mit Leib und Seele Forscherin und schnupperte als Tochter zweier Wissenschaftler schon früh „Forschungsluft“. „Meine Eltern haben mich immer zu irgendwelchen Konferenzen und Forschungsinstituten mitgeschleppt. Und beim Spielen hab ich mir oft eine Aktentasche unter den Arm geklemmt und verkündet, dass ich jetzt zur Tagung über Verbundwerkstoffe reise. Und wo bin ich heute gelandet?“, erzählt Taha und lacht herzlich. Ihre Eltern, die aus Ägypten stammen, haben am Düsseldorfer Max-Planck-Institut für Eisenforschung geforscht. Kurz vor ihrer Einschulung zog die Familie nach Kairo zurück. Dort machte Taha ihr Abitur an der Deutschen Schule und studierte Ingenieurwissenschaften an der Ain Shams Universität.

Für ihre Promotion an der Technischen Universität Clausthal kehrte Taha nach Deutschland zurück. Anschließend arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ain Shams Universität und wurde dort als Professorin berufen. „Nach sieben Jahren in Kairo meinte mein Mann, den ich während meiner Promotion kennengelernt habe, ein bisschen Schnee wäre auch mal wieder schön“, schmunzelt die zweifache Mutter. Und so ging’s erneut zurück nach Deutschland, diesmal nach Augsburg, wo sie für einige Jahre die Abteilung Materialien und Prüftechnik am Fraunhofer Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik leitete und im Bereich der Faserverbundwerkstoffe weiterforschte.

„Einen Job ohne Forschung kann ich mir nicht vorstellen. Forschung bedeutet mir alles!“, sagt Taha nachdrücklich. Als im vergangenen Jahr an der Hochschule Aalen – eine der forschungsstärksten Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Deutschland – eine Professur im Studiengang Kunststofftechnik ausgeschrieben war, musste die Wissenschaftlerin nicht lange überlegen. „Das hier ist die perfekte Kombi von Lehre und Forschung“, sagt Taha begeistert, die sonntags auch gerne mal mit ihrem vierjährigen Sohn „Die Sendung mit der Maus“ schaut. Alles zu hinterfragen, sich die kindliche Neugier zu bewahren, das möchte sie auch ihren Studierenden mitgeben. „Es gibt keine blöden Ideen. Aus jeder Idee lässt sich was machen. Wie aus angewandter Forschung ein Produkt entsteht, mit dem wir unsere Zukunft ein Stück nachhaltiger gestalten können, das ist einfach faszinierend.“

Dass sie jetzt durch das Programm EXPLOR der Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur aus Abtsgmünd ihre eigene Forschungsgruppe zum Themenfeld Biokunststoffe und Verbundwerkstoffe aufbauen kann, findet Taha klasse. „Das ist ein super Programm und ein toller Einstieg, dass man sich erstmal im kleinen Rahmen in ein neues Forschungsfeld reinfuchsen kann.“ Mit ihren Forschungsaktivitäten möchte sie die Hochschule Aalen auch als Ansprechpartnerin für Nachhaltigkeit in der Kunststofftechnik etablieren. „Mit der Industrie gemeinsam Lösungen zu entwickeln, wie man den Müllbergen Herr werden kann, und dadurch zur Ehrenrettung der Kunststoffe beizutragen, das motiviert mich ungemein“, sagt Taha und fügt sinnierend hinzu: „Aber wie heißt es so schön? Der beste Abfall ist natürlich der, der überhaupt nicht entsteht.“

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