Die EZB-Sitzung am vergangenen Donnerstag brachte keine geldpolitischen Veränderungen mit sich, dennoch nahmen viele Marktbeobachter die „rhetorische Kehrtwende“ von Christine Lagarde mit Sorge zur Kenntnis. Schnell steigende Preise wurden nicht mehr als vorübergehend bezeichnet, sondern es war von einer Inflation die Rede, die „länger anhalten könnte als erwartet“. „Diese veränderte Rhetorik hat Spekulationen ausgelöst, dass die EZB bald mit Zinserhöhungen beginnen wird, obwohl sie zuvor signalisiert hatte, dass sie sich in diesem Jahr zurückhalten würde“, meint Thomas Grüner, Gründer und Vice Chairman von Grüner Fisher Investments.

Allerdings sprechen die Daten, die wahrscheinlich zu dieser Kehrtwende beigetragen hätten, gar nicht für eine nachhaltige Veränderung der Inflation. „Dies zeigt einmal mehr, dass die Leitlinien der EZB nicht wirklich zuverlässig sind, und eine exakte Vorhersage ihrer Verhaltensweise nicht möglich ist“, so Grüner.

Energiepreise als Haupttreiber
Mit Sicherheit basiere die Meinungsänderung der EZB auf den unerwartet hohen Inflationszahlen. „Die Gesamtinflation in der Eurozone stieg im Januar von 5,0 Prozent auf 5,1 Prozent im Jahresvergleich an und übertraf damit den erwarteten Konsens. In einem internationalen Umfeld hoher Inflationsraten wächst zudem der Druck, dem Beispiel anderer Zentralbanken zu folgen und Maßnahmen zu ergreifen“, stellt Grüner fest. Allerdings solle im Hinblick auf die europäischen Daten ein wichtiger Punkt nicht vernachlässigt werden: „Die Energiepreise erhöhten sich um 28,6 Prozent im Jahresvergleich und stellten somit weiterhin den Haupttreiber der Inflation dar. Die Kerninflation, welche Nahrungsmittel, Energie, Alkohol und Tabak ausschließt, verlangsamte sich im Januar auf 2,3 Prozent im Jahresvergleich und lag damit unter dem Dezember-Wert von 2,6 Prozent“, erläutert Grüner.

Seltsamerweise habe die EZB zwar die wirtschaftlichen Auswirkungen der schnell steigenden Energiepreise anerkannt und auch ihre mangelnde Handlungsfähigkeit diesbezüglich zum Ausdruck gebracht, aber die Divergenz zwischen Kern- und Gesamtinflationsraten dennoch nicht erwähnt, als sie ihre "einhellige Besorgnis" über die steigenden Preise zum Ausdruck brachte. Vermutlich versuche die EZB einfach, sich politisch auszudrücken. Ebenso könne sie ihre Meinung auch schnell wieder ändern. Bereits am Montag habe Lagarde die Inflation wieder heruntergespielt und sagte: „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Inflation mittelfristig dauerhaft und deutlich über unserem Zielwert liegen wird, was eine messbare Straffung erfordern würde“. Was ist von den jüngsten Äußerungen der EZB also zu halten? „Das können wir nicht sagen – und auch sonst niemand“, kommentiert Grüner.

Was zählt für Anleger?
Diese Episode zeige einmal mehr, warum die Geldpolitik nicht vorhersehbar sei und die Prognosen der Zentralbanken nicht eindeutig sind. „Ihre Prognosen ‒ und auch ihre Maßnahmen ‒ ändern sich oft mit der öffentlichen Meinung. Anleger sollten sie also nicht als Navigationshilfe für den zukünftigen Verlauf der Märkte, sondern als Orientierungspunkte ohne Prognosencharakter interpretieren. Außerdem haben Zinserhöhungen keinen Einfluss auf die aktuellen Preistreiber. Sie werden das Energieangebot nicht erhöhen, den russischen Präsidenten nicht besänftigen und auch keine Probleme in der Lieferkette beheben“, analysiert Grüner.

Fazit
Zinserhöhungen werden grundsätzlich als Gefahr für die Märkte wahrgenommen, und zu gegebener Zeit werde auch die EZB dem Beispiel anderer Zentralbanken folgen. „Entscheidend für die Märkte ist allerdings weiterhin eine intakte Kreditvergabe der Banken und der gesamte Geld- und Kreditfluss. Lassen Sie sich also nicht zu sehr davon ablenken, was die EZB sagt oder nicht sagt“, resümiert Grüner.

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Über die Grüner Fisher Investments GmbH

Grüner Fisher Investments (GFI) ist eine Vermögensverwaltungsgesellschaft mit eigenem Ermessensspielraum, die vorwiegend vermögende Privatpersonen und Familien in Deutschland, Österreich und der Schweiz betreut. Grüner Fisher Investments ist Mitglied im Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V. (VuV) und ist ein durch die BaFin lizensiertes und beaufsichtigtes Institut. GFI wurde als Top-Vermögensverwalter von Capital (2019), als Top-Arbeitgeber im Mittelstand (2019) von Focus und als "Great Place to Work" (2020, 2021) von Great Places to Work ausgezeichnet. Das Unternehmen ist eine deutsche Tochtergesellschaft von Fisher Investments in den USA, einem der größten unabhängigen Vermögensverwalter der Welt. Zum 31.03.2021 verwaltete Fisher Investments und seine Tochtergesellschaften ein Vermögen von über 143 Mrd. EUR – über 93 Mrd. EUR für nordamerikanische Privatanleger, 34 Mrd. EUR für institutionelle Anleger, 14 Mrd. EUR für europäische Privatanleger und 1 Mrd. EUR für die Altersvorsorge kleiner und mittlerer Unternehmen in den USA. Fisher Investments unterhält vier Hauptgeschäftsgruppen: US Private Client, Institutional, Private Client International und 401(k) Solutions, die einen globalen Kundenstamm bedienen. Der Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, Ken Fisher, schrieb von 1984 bis 2016 die Forbes-Kolumne "Portfolio Strategy" und ist damit der am längsten ununterbrochene Kolumnist in der Geschichte der Zeitschrift. In den letzten Jahren erschienen Ken Fishers Kolumnen durchgängig in den wichtigsten Medien in fast allen westeuropäischen Ländern, einschließlich Focus Money in Deutschland, sowie in wichtigen asiatischen Ländern, und damit in mehr Ländern und mit mehr Umfang als jeder andere Kolumnist in der Geschichte. Fisher ist außerdem Autor von 11 Büchern, darunter vier New York Times-Bestseller zum Thema Finanzen und Investieren.

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