Dannecker und seine Kolleginnen und Kollegen beobachten schon seit längerem die Diskussion um eine wieder zunehmende Akzeptanz von Kernkraft als vermeintlich CO2-neutraler Energiequelle: „Diese Debatte ist das Ergebnis von äußerst geschicktem Lobbying der Atomindustrie auf nationaler und internationaler Ebene angesichts von Akzeptanzproblemen und zunehmenden Konflikten, wenn es um die Errichtung von Wind- oder Solarparks geht. Auch vor dem Hintergrund eines ungenügenden Ausbaus von Stromtrassen in Deutschland präsentiert sich die Nuklearbranche als Heilsbringerin. Dabei tut man so, als gehe es nur um den Ausstoß von Treibhausgasen bei der Energieproduktion. Betrachtet man die Errichtung der Kraftwerke sowie die Gewinnung von spaltbarem Material aber insgesamt, so ergibt sich ein erheblicher CO2-Fußabdruck. Er ist nur nicht so offensichtlich wie etwa bei Kohlekraftwerken. Es handelt sich hier also um geschickte Täuschungsmanöver und Taschenspielertricks“, meint der DEN-Vorsitzende.
Dannecker hält den Zeitpunkt der anstehenden Entscheidung über grüne Energiequellen aus Sicht der Atomlobby für ausgesprochen geschickt gewählt: „Frankreich hat zum Jahresbeginn 2022 den Vorsitz im EU-Ministerrat übernommen. Die Grande Nation als Atomstaat und Betreiberin viele Dutzend Kernkraftwerke hat bei dieser Entscheidung ein bedeutendes Wort mitzureden. Hier wird ein grundsätzlicher Konflikt zwischen kernkraftfreundlichen Staaten und kernkraftkritischen wie Deutschland, Österreich, Dänemark und Portugal. unübersehbar deutlich. Ob und wie es hier eine gemeinsame Linie geben soll, steht in den Sternen.“
Der Ingenieur hält insbesondere die als neue Technologien angedienten Pläne für kleinere Nuklearanlagen für bedenklich: „Hier wird der Anschein erweckt, als wären kleinere Anlagen harmlos und weniger gefährlich als die großen Zentralen. Das ist mitnichten der Fall. Die Frage nach der Entsorgung des anfallenden Atommülls ist weiterhin ungeklärt. Die Gefährdung der Bevölkerung durch eine Vielzahl kleinerer Anlagen würde deutlich erhöht. Schutz vor kriminellen und terroristischen Angriffen wäre deutlich aufwendiger zu gewährleisten. Kernkraftwerke – egal welcher Größe – führen allein aus diesen Gründen schon in Sackgassen.“
In den Augen des DEN-Vorsitzenden machen die EU-Pläne deutlich, wie zerrissen die Europäische Union atom- und klimapolitisch ist: „Langsam dürfte klar werden, dass die Debatte über die Zukunft der Atomkraft weder in Europa noch weltweit vorbei ist – im Gegenteil. In Frankreich entsteht derzeit unter Beteiligung der EU und einiger finanzstarker Staaten der Fusionsreaktor ITER. Solche Technologien werden nicht ohne öffentliche Subventionen und nur mit erheblichen Geldmitteln verwirklicht werden können. Deshalb freuen sich insbesondere Großinvestoren, wenn Staaten – aus welchen Gründen auch immer – auf Nukleartechnologien setzen.“
Für Dannecker markiert die anstehende Entscheidung auch eine erste große Belastungsprobe für die neue Berliner Koalition: „Gaskraftwerke übergangsweise als grüne Technologie einzustufen, wie es die neue Koalition tut, ist schon schlimm genug“, sagt der Ingenieur. „Aber beim Thema Atomkraft sollte die deutsche Regierung deutlich zusammenstehen und ein klares Nein formulieren.“
Aufgabe sei es jetzt, umso schneller und intensiver wirklich grüne Energiequellen zu erschließen und Forschungsinvestitionen in diesem Bereich zu erhöhen, meint Dannecker: „Es darf nicht sein, dass eine kernkraftfreundliche Entscheidung der EU-Kommission die Entwicklung wirklich grüner und ‚harmloser‘ Techniken zeitlich zurückwirft. Atom- und Gaskraftwerke stoppen den Klimawandel nicht!“
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