Das neue NZE-Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigt eine detaillierte Modellierung, wie sich das Energie- und Industriesystem entwickeln sollte, um die CO2-Emissionen bis 2050 auf Netto-Null zu bringen. Damit die weltweiten Netto-CO2-Emissionen bis 2030 um 41 % gegenüber 2019 und dann bis 2050 um 100 % gesenkt werden können, rechnet die Agentur mit

  • einer schnelleren Elektrifizierung der Industrie, der Gebäude und des Verkehrssektors in Verbindung mit einer schnelleren Dekarbonisierung der Stromerzeugung.
  • einer deutlich schnelleren Erhöhung der Energieeffizienz, z. B. bis zu elfmal schneller in der Aluminiumindustrie; der Energieverbrauch von Neubauten soll 2030 um 50 % gesenkt werden.
  • dem Einsatz von Wasserstoff, alternativen Kraftstoffen und der Nutzung von Kohlenstoff im Kreislauf in Sektoren, in denen eine Elektrifizierung nicht möglich ist.

Die IEA zählt jedoch nicht nur auf Technologien. Verhaltensänderungen, wie Carsharing, Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Einschränkung von Flugreisen, sind ebenso wichtig, um die Nachfrage in Sektoren, in denen CO2 nur schwer zu verringern ist, einzudämmen.

Es gibt eine erhebliche Lücke

Selbst wenn die Regierungen alle notwendigen Maßnahmen ergreifen würden, um ihre Netto-Null-Zusagen zu erfüllen, würden laut IEA nur 40 % der Emissionslücken geschlossen werden. Kurz gesagt, es bleibt eine erhebliche Lücke in der Politik und im allgemeinen Engagement, die die Akteure vor verschiedene Herausforderungen stellt:

Die industrielle Herausforderung: Die jährliche Steigerung bei erneuerbaren Energien sollte gemäß IEA bis 2030 2,5-mal höher sein als 2020. Es ist ein perfekt getimter Einsatz in allen Wertschöpfungsketten und Systemen, wie Netzstabilität und Netzanschlüsse, erforderlich, um Engpässe zu vermeiden.

Die finanzielle Herausforderung: NZE ist ein kapitalintensives Szenario. Eine Umschichtung von „braunem zu grünem“ Kapital reicht bei weitem nicht aus.

Die innovative Herausforderung: Während der Großteil der CO2-Reduzierung bis 2030 von Technologien stammt, die bereits auf dem Markt sind, hängen zwei Drittel der zusätzlichen Verringerung nach 2030 von Technologien ab, die sich noch in der Entwicklung befinden.

Die Herausforderung der internationalen Politikkoordination: Obwohl die IEA von unterschiedlichen CO2-Preisen zwischen den Industrieländern und Schwellenländern ausgeht, ist eine perfekte politische Koordination erforderlich, um die neuen Technologien verbundenen Kosten und Subventionen zu teilen und Spannungen zu vermeiden.

Gesellschaftliche Akzeptanz: Es ist nicht leicht, Gewohnheiten zu ändern. In Frankreich haben einige Departements die Geschwindigkeitsbegrenzungen zurückgenommen, und die Schweizer haben kürzlich (knapp) ein Klimagesetz abgelehnt, das Steuern auf Treibstoff und Flugtickets vorsah.

Was Investoren tun können

Wir haben Vorbehalte gegenüber einem Pauschalansatz, Unternehmen zu CO2-Reduktion zu bewegen. Wir präferieren sektorspezifische Indikatoren und regionale Lösungen für unser Engagement und prüfen die Unternehmen genau. Dabei analysieren wir unter anderem folgende Aspekte:

M&A-Fallstricke: Ein Unternehmen kann sich durch Fusionen und Übernahmen so ausrichten, dass es die CO2-Intensität seines Anlageportfolios umgestaltet. Solche Maßnahmen können zwar nützlich sein, um das Portfoliorisiko zu verringern, aber sie leisten praktisch keinen direkten Beitrag zu den NZE, da problematische Vermögenswerte nur den Besitzer wechseln.

Nachfrageorientierung: Der Übergang zu NZE kann nur dann geordnet verlaufen, wenn er nachfrageorientiert ist. Dies erfordert eine rechtzeitige Nachrüstung oder Umnutzung energieintensiver Anlagen und neue Anlagen, die den strengen Emissionskriterien entsprechen.

Was man vermeiden muss: Dazu gehören neue Genehmigungen für Kohlekraftwerke bereits in diesem Jahr, aber auch neue Heizkessel für fossile Brennstoffe ab 2025, Beleuchtungslösungen ohne LED-Technik ab 2030 und neue Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035. Unser Engagement konzentriert sich darauf, die Entwicklung solcher Anlagen zu stoppen.

Was nicht benötigt wird: Es gibt einige Anlagen für Öl und Gas, die nicht mehr gebraucht würden, wenn energieintensive Sektoren schneller umstellen würden. Wir wollen Unternehmen dazu bewegen, die finanzielle Attraktivität solcher Projekte unter Annahmen zu überprüfen, die mit einem Netto-Null-Szenario vereinbar sind. Bei Investitionen in den Bau neuer Anlagen und bei der Modernisierung müssen sie sicherstellen, dass künftige Kohlenstoffemissionen außerhalb des Netto-Null-Budgets für 2050 liegen.

Angleichung der Lobbying-Praktiken: Die IEA nennt eine Reihe wichtiger politischer Maßnahmen, z. B. die Einführung von CO2-Preisen in allen Regionen, Vorschriften für erneuerbare Brennstoffe, Effizienzstandards oder die Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe. Mit Investoreninitiativen werden wir uns für eine ehrgeizigere Politik einsetzen. Wir glauben, dass auch die Unternehmen eine entscheidende Rolle spielen müssen.

Wenn es der Welt nicht gelingt, die geforderten CO2-Emissionen fristgerecht zu verringern, werden die Sektoren zu immer drastischeren Dekarbonisierungsschritten gezwungen werden. Ein Unternehmen, das heute als „angepasst“ gilt, ist es in ein paar Jahren vielleicht nicht mehr. Wir erwarten, dass Unternehmen bereits heute schneller vorankommen und ihre Ambitionen im Laufe der Zeit weiter nach oben korrigieren.

Quelleninformationen und weitere Informationen finden Sie im aktuellen Thematic Paper ESG Thema #1 Introduction to Net Zero und im Amundi Research Center.

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