Die Vollversammlung bekennt sich zum Vorrang des Schutzes der menschlichen Gesundheit, stellt aber zugleich in der Güterabwägung der verschiedenen politischen und regulatorischen Maßnahmen Kollateralschäden fest, die so weitreichend und massiv seien, dass sie ihrerseits die Gesundheit von Menschen gefährdeten: Die Existenzängste von Unternehmerinnen und Unternehmern wie auch die Arbeitsplatzverluste von Beschäftigten zeigten jenseits der finanziellen auch zunehmend gesundheitliche Auswirkungen. „Die Branchen, die vom Shutdown direkt oder indirekt betroffen sind, benötigen dringend weitere Öffnungsperspektiven, die von Dauer und berechenbar sind“, so IHK-Präsident Stefan Hagen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Betriebe längere Vorlaufzeiten benötigten, um ihre gewerblichen Tätigkeiten wieder anlaufen zu lassen. Zum anderen werde es dauern, bis Kunden wieder so viel Vertrauen gefasst haben, dass sie die gewerblichen Angebote dann auch annehmen und nachfragen.
Nach Ansicht der IHK fehlt es bei den Shutdown-Anordnungen durch staatliche Regulierungsbehörden an der empirischen Evidenz, welche Wirtschaftszweige tatsächlich das Infektionsgeschehen begünstigen und welche nicht. Aus Furcht vor Ansteckungsgefahren griffen staatliche Stellen mangels konkreter empirischer Erkenntnisse zu pauschalen und undifferenzierten Schließungsanordnungen und schädigen damit ganze Wirtschaftszweige, die möglicherweise gar keine nennenswerten Infektionsherde darstellen – zumal viele Branchen in entsprechende Hygiene-Maßnahmen zum Schutz vor Corona investiert haben. Stefan Hagen: „Im Zeitalter der Digitalisierung muss es ein Jahr nach Ausbruch von Corona in Deutschland möglich sein, mit digitalen Anwendungen genauere Erkenntnisse darüber zu erlangen, ob Infektionen wirklich im stationären Einzelhandel, in Hotels oder in Restaurants stattfinden und Schließungen gerechtfertigt sind.“ Schließungsmaßnahmen könnten dann zielgerichteter und punktgenauer erfolgen. Die Vollversammlung regte in der Abwägung der Zielkonflikte Gesundheitsschutz, Schutz des Eigentums / der Gewerbefreiheit und des Datenschutzes an, die ausgeprägte Rolle des Datenschutzes im Zusammenhang mit Corona zumindest zu überprüfen.
Die IHK fordert zudem eine angemessene Entschädigung der Betriebe und die Erstattung der ausgefallenen Umsätze und direkten Verluste. Die staatlichen Organe – so die Resolution der Vollversammlung – „ordnen die Schließung vieler Betriebe aus gesundheitspolitischen Gründen an und schränken die gewerbliche Betätigung der Betriebe massiv ein. Betriebe werden dazu gezwungen, täglich hohe Verluste bis hin zur Insolvenz zu erdulden.“ Die IHK Bonn/Rhein-Sieg spricht sich deshalb für einen Paradigmenwechsel in der finanziellen Kompensation staatlichen Handelns aus: Den Unternehmen sollte der Staat den entstandenen Schaden ersetzen, den staatliche Organe durch ihre nachvollziehbaren Maßnahmen verursacht haben. Durch die Schließung der Gastronomie und großen Teilen des Einzelhandels sowie durch die Verbote privater Hotelübernachtungen, Messen und Veranstaltungen greife der Staat weitreichend in das Eigentumsrecht der Gewerbetreibenden (Artikel 14 des Grundgesetzes) ein.
Ferner appelliert die IHK an die Bundesstadt Bonn und die Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis, weitere Erschwernisse oder Auflagen von betroffenen Betrieben zu vermeiden. Dies gelte etwa für die Erreichbarkeit der Bonner Innenstadt mit dem Pkw oder die Aussetzung der Beherbergungssteuer, welche neben einer bürokratischen Entlastung der Unternehmen auch die Attraktivität der Region für Touristen steigern würde, sobald der Individualtourismus wieder losgeht.
Die Industrie- und Handelskammer ruft die Betriebe zudem dazu auf, ihren Mitarbeitern nach Möglichkeit Selbsttests und gegebenenfalls Schnelltests anzubieten.
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