„Der deutschen Industrie ist es gelungen, ihre Produktion bereits den zweiten Monat in Folge wieder auszuweiten. Allerding ist es angesichts der noch nicht überwundenen Corona-Krise und der damit verbundenen negativen Folgen auf weite Teile der Wirtschaft noch zu früh für eine Entwarnung“, betonte Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Freitag in Eschborn.
„Laut EMI hat die deutsche Industrie die Corona-Rezession hinter sich gelassen und nicht nur das: Auch die Abwärtsbewegung im vergangenen Jahr wurde wieder wettgemacht“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Freitag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Die expansiven Maßnahmen der vergangenen Monate scheinen „also bei den Unternehmen anzukommen. Wichtig ist nun, dass der Aufschwung nicht wieder durch Lockdowns zunichtegemacht wird. Trotz dieser besseren Stimmung bleibt zu beachten, dass das Vor-Corona-Krisenniveau voraussichtlich erst wieder 2022 erreicht wird“, fügte die Helaba-Bankdirektorin hinzu.
„Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal auf Wachstumskurs. Aber zur Euphorie gibt es keinen Grund“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Freitag dem BME. Die Corona-Entwicklung erfordere höchste Wachsamkeit und bleibe die größte Herausforderung für die deutsche Konjunktur, so Kater abschließend.
„Der Anstieg von Produktion und Neuaufträgen im August bedeutet für viele Unternehmen einen wichtigen Schritt aus dem Pandemie-Tal heraus. Auch wenn der Wirtschaftseinbruch nicht so tief ausfallen wird, wie ursprünglich befürchtet, sind zahlreiche Betriebe noch weit entfernt von den Umsätzen, die sie vor der Krise hatten“, betonte DIHK-Expertin Melanie Vogelbach am Freitag in ihrem EMI-Statement für den BME. Danach rechne laut DIHK-Befragung rund jedes zweite Unternehmen nicht mit einer raschen Rückkehr zur Normalität. Hinzu komme: Die Auftragslage sei derzeit stark von Nachholeffekten zuvor ausgebliebener Geschäfte getrieben. Vogelbach weiter: „Die aktuellen Erwartungen stehen daher unter dem Vorbehalt, dass sich die positive Entwicklung fortsetzt. Auch dämpfen die Unsicherheiten im Auslandsgeschäft die konjunkturelle Erholung. Noch immer erschweren eine verminderte Nachfrage, ausbleibende Investitionen, Störungen in den Lieferketten und Einschränkungen bei Geschäftsreisen die internationalen Geschäfte. Herausfordernd bleibt zudem die finanzielle Situation in etlichen Unternehmen. Für das Wirtschaften hierzulande brauchen die Betriebe daher mehr denn je gute Standortbedingungen.“
Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise sagte Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Freitag dem BME: „Die deutlich verbesserten Werte des EMI schlagen sich auch in der Entwicklung der Weltrohstoffpreise nieder: Diese zogen im Durchschnitt des August 2020 auf breiter Front um gut sieben Prozent an. Infolge der Aufwertung zum US-Dollar machte der Anstieg in der Euro-Zone jedoch nur 3,8 Prozent aus. Besonders stark fiel der Preisanstieg bei Aluminium, Kupfer und Nickel aus. Dagegen ist der Preisanstieg bei den Edelmetallen weniger von der industriellen als von der investiven Nachfrage getrieben. Die stark angezogenen Spotmarktpreise für Eisenerz schlugen sich nun auch in festeren Stahlpreisen nieder. Wir erwarten bei den Industriemetallen in den nächsten drei Monaten dennoch eine eher stabile Seitwärtsbewegung mit nur leichtem Aufwärtspotenzial.“
Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:
Produktion: Die jüngsten Daten zeigen, dass sich die Industrieproduktion in Deutschland nach dem historischen Einbruch aufgrund der Coronavirus-Pandemie weiter erholt. Nachdem der saisonbereinigte Teilindex Leistung im Juli erstmals seit anderthalb Jahren wieder in die Wachstumszone zurückgekehrt war, legte er im August nochmals zu und signalisierte den stärksten Produktionsanstieg seit Februar 2018.
Auftragseingang insgesamt: Beim Auftragseingang wurde abermals ein kräftiger Zuwachs verzeichnet, der nur marginal unter dem Zweieinhalb-Jahreshoch vom Juli lag. Beim Blick auf die Detailergebnisse zeigt sich, dass die Neuaufträge im Konsumgüter- und Vorleistungsgüterbereich signifikant stiegen. Dagegen fiel das Plus im Investitionsgüterbereich nur moderat aus, weil die Nachfrage nach Maschinen und Anlagen weiter verhalten ist.
Auftragseingang Export: Die Exportaufträge nahmen im August den zweiten Monat in Folge zu. Zwar blieb die Steigerungsrate unter der des Gesamt-Auftragseingangs, sie verbesserte sich dennoch leicht im Vergleich zum Vormonat und stieg auf den höchsten Wert seit April 2018. Vor allem in China und in der Türkei zog die Nachfrage laut Berichten einiger Umfrageteilnehmer deutlich an.
Beschäftigung: Auch im August setzte sich der Arbeitsplatzabbau in der Industrie fort, da viele Unternehmen ihre Kosten weiter reduzieren und ihre Mitarbeiterzahl verkleinern wollen. Zwar schwächte sich die Schrumpfungsrate auf den niedrigsten Wert seit fünf Monaten ab, dennoch war sie eine der stärksten seit Juli 2009. Damit wurden seit mittlerweile anderthalb Jahren in jedem Monat Stellenkürzungen vorgenommen
Einkaufspreise: Die Einkaufspreise sanken im August ein weiteres Mal. Hauptgründe waren die immer noch schleppende Nachfrage nach Rohmaterialien, der starke Euro sowie der Wettbewerb unter den Zulieferern. Die Schrumpfungsrate schwächte sich allerdings zum dritten Mal in Folge ab und fiel so gering aus wie seit Mai 2019 nicht mehr – als die aktuelle Kontraktionsphase begann. Laut Detailergebnissen gingen die Preise in allen drei Teilsektoren geringer zurück als im Juli.
Verkaufspreise: Wie schon im Vormonat ermäßigten sich die durchschnittlichen Verkaufspreise in der Industrie im August deutlich weniger als auf dem Höhepunkt der Coronavirus-Krise im zweiten Quartal. Zudem konzentrierte sich die Reduzierung erneut vor allem auf den Investitionsgüterbereich; dort war der Kundendruck, die Preise zu senken, nach Einschätzung einiger Umfrageteilnehmer besonders hoch.
Geschäftserwartungen: Die Stimmung im Produzierenden Gewerbe hellt sich weiter auf. So verbesserte sich der Teilindex Geschäftsaussichten den fünften Monat in Folge (nach dem historischen Tief im März) und kletterte auf den höchsten Stand seit Februar 2018. Die Mehrzahl der befragten Einkaufsmanager ist zuversichtlich, dass sich sowohl die Binnen- als auch die Auslandsnachfrage nachhaltig erholen werden – solange es zu keinem Rückschlag durch eine zweite Corona-Welle kommt.
Über den EMI: Der IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe – errechnet aus den Teilindizes für Auftragseingang, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormaterialbeständen. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird vom Anbieter von Unternehmens-, Finanz- und Wirtschaftsinformationen IHS Markit mit Hauptsitz in London erstellt und beruht auf der Befragung von 500 Einkaufsleitern und Geschäftsführern der verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (Markit U.S.-PMI).
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