Am 3.6.2020 hat sich die große Koalition auf ein Konjunkturpaket infolge der Corona-Pandemie geeinigt, das insgesamt Maßnahmen in Höhe von € 130 Mrd. vorsieht. Die Maßnahmen betreffen unter anderem die Umsatzsteuer. Konkret sollen ab 1.7.2020 die Umsatzsteuersätze für die Dauer von sechs Monaten herabgesetzt sowie die Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer verlängert werden.

  • Betroffener Zeitraum: 1.7.2020 bis 31.12.2020 (zeitl. Begrenzung bei EUSt: derzeit offen)
  • Stand der Gesetzgebung: Zweites Corona-Steuerhilfegesetz im Entwurf (Stand:12.6.2020); BMF-Schreiben (Entwurf vom 12.6.2020)
  • Herabsetzung der Umsatzsteuersätze (auch Einfuhrumsatzsteuer):

– Regelsteuersatz: 16 % (statt 19 %)

– Ermäßigter Steuersatz: 5 % (statt 7 %)

– (Gilt nicht für luf-Umsätze, Durchschnittssätze oder Versicherungssteuer)

  • Verlängerung der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer: bis zum 26. Tag des Folgemonats (statt bis zum 16. Tag des Folgemonats)
  • Herausforderung: Sicherstellung des korrekten ein- und ausgangsseitigen, insb. systemseitigen Umgangs (ERP-Software/Compliance-Prozesse: Steuerkennzeichen etc.) mit der neuen Lage ab dem 1.7.2020

Erforderliche Anpassungen in der betrieblichen Praxis (Überblick)Ausgangsseitig zu erbringende Leistungen

  • Die Anwendung der herabgesetzten Umsatzsteuersätze ist auf den genannten Zeitraum begrenzt. D.h., eine Anwendung erfolgt nur auf die Umsätze, die in der Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 ausgeführt werden (Leistungszeitpunkt). Dies gilt unabhängig vom Vertragsschluss, von der Rechnungsstellung, von der Entgeltvereinnahmung (inkl. IST-Versteuerer) oder von der Zahlung.

    Beispiel 1:
    Erbringung einer Leistung zum Regelsatz am 26.6.2020 (22.12.2020)/
    Rechnungsstellung am 3.7.2020 (7.1.2021) = 19 % (16 %).

    Beispiel 2:
    Erbringung von Teilleistungen eines Gesamtauftrags oder im Rahmen einer Dauerleistung (z.B. Vermietung einschl. Nebenleistungen, Wartung oder Überwachung) zum Regelsatz vor dem 1.7.2020 und nach dem 31.12.2020 = 19 %; nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021 = 16 %.

    Steht bei Rechnungserteilung vor dem 1.7.2020 (1.1.2021) fest, dass die Leistung nach dem 30.6.2020 (31.12.2020) erbracht wird, kann die Rechnung unter Ausweis des abgesenkten Steuersatzes (des wieder erhöhten Steuersatzes) ausgestellt werden.

  • Teilleistungen liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart und abgerechnet wird (wegen Branchenbesonderheiten siehe das „Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft“: Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der BauwirtschaftMerkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft (USt M 2))
  • Der Bestimmung des Leistungszeitpunkts kommt maßgebende Bedeutung zu; Beispiele:

– Lieferung = Zeitpunkt des Beginns der Warenbewegung

– Dienstleistung = Zeitpunkt der Vollendung

– Werklieferung = Zeitpunkt der Abnahme

– Innerg. Erwerb = Rechnungsausstellung, spät. mit Ablauf des Erwerbsfolgemonats

– Reverse Charge = mit Ablauf des Voranmeldezeitraums (Grundregel) bzw. Rechnungsausstellung, spät. mit Ablauf des Leistungsfolgemonats (übrige)

  • Vorgenanntes gilt auch für die (eine Leistung ersetzenden) Einzweckgutscheine, die im Zeitpunkt ihrer Herausgabe der Besteuerung unterliegen und die nicht sowohl innerhalb als auch außerhalb des Herabsetzungszeitraums eingelöst werden können; Mehrzweckgutscheine unterliegen dagegen im Zeitpunkt ihrer Einlösung dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Umsatzsteuersatz.

    Besonderheiten ergeben sich bei der Erstattung von Gutscheinen (ebenso bei Erstattungen von Pfandbeträgen).

  • Vorabvereinnahmung (z.B. Anzahlungen oder Abschlagszahlungen) von Entgelten für (Teil-)Leistungen (punktueller Übergang zur IST-Besteuerung): Liegen Vereinnahmungszeitpunkt und Leistungszeitpunkt nicht beide innerhalb oder außerhalb des Absenkungszeitraums, ist eine Anpassung im Voranmeldungszeitraums der Leistungserbringung vorzunehmen.

    Beispiel:
    Die der am 26.6.2020 entgegengenommenen Anzahlung zu Grunde liegende Leistung wird am 3.7.2020 ausgeführt. Die im Juni zum Regelsatz von 19 % vorangemeldeten Umsatzsteuer, muss im Juli auf den abgesenkten Regelsatz korrigiert werden. (z.B. durch Absetzung des 19-prozentigen Umsatzbetrags aus dem Juni in der Schlussrechnung oder Restrechnung).

    Entgegen dieser „Anrechnung“ in Gestalt einer offenen Absetzung bei der Rechnungsstellung erfolgt die Erklärung als negative Bemessungsgrundlage (quasi: Storno und Neueinbuchung) in den Formularen.

  • Werden Leistungen auf Kalenderjahrbasis erbracht (z.B. Lizenzen oder Mitgliedsbeiträge), gilt der jeweiligen herabgesetzte Umsatzsteuersatz für das gesamte Entgelt, da diese Leistungen mit Ablauf des Leistungszeitraums als erbracht gelten, vorstehend zu Vorabvereinnahmungen Genanntes gilt entsprechend. Bereits erteilte Rechnung sind ggf. anzupassen.
  • Für Änderungen der Bemessungsgrundlage ist entscheidend, welchem Steuersatz die zu Grunde liegenden Leistungen im Zeitpunkt der Leistungserbringung unterlegen haben; dieser Steuersatz ist auch für die Änderung der Bemessungsgrundlage im Voranmeldungszeitraum des Eintritts der Änderung maßgebend. Jahresboni sind ggf. aufzuteilen (inkl. belegmäßigem Nachweis der Aufteilung für Leistungsempfänger).

    Beispiel:
    Leistungserbringung zum Regelsteuersatz am 26.6.2020 = 19 %;
    Rabattgewährung auf die erbrachte Leistung am 3.7.2020 = ebenfalls 19 % (nicht: 16 %).

  • Dienen Verträge über Dauerleistungen als Rechnungen (z.B. bei steuerpflichtig gestellter Vermietung) und nennen daher den Steuersatz und Steuerbetrag, sind diese Verträge für die Zeit der Steuersatzsenkungen zu ändern. Die Änderung ist in Form einer einfachen Rechnungsergänzung, die eineindeutig auf die zu Grunde liegende Rechnung/Vertrag referenziert, möglich. Entsprechendes gilt für Dauerrechnungen.
  • Bei etwaigen Auswirkungen der Steuersatzsenkungen auf die Preisgestaltung (Prüfung im Einzelfall auf der Basis der zu Grunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen) ist bei der Umstellung langfristiger Verträge (Abschluss vor dem 1.3.2020) zu beachten, dass gegebenenfalls ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch entstehen kann. Nach dem Gesetz kann dies nur Verträge betreffen, die mindestens 4 Monate vor der Steuersatzsenkung verbindlich geschlossen worden sind.
  • Preisangaben/-auszeichnungen müssen nicht in der Nacht zum 1.7.2020 zwingend geändert werden. Vielmehr kann nach der Preisangabenverordnung (PAngV) ausnahmsweise ein pauschaler Rabatt an der Kasse genutzt werden (siehe hierzu das Schreiben des BMWi vom 10.6.2020). Ausgenommen von dieser Vereinfachung sind jedoch preisgebundene Artikel (z.B. rezeptpflichtige Arzneimittel). 
  • Werden die Anpassungen der Steuersatzsenkungen nicht umgesetzt, also weiter Rechnungen mit einem zu hohen Umsatzsteuerausweis ausgestellt, entsteht in Höhe der Differenz zwischen dem zutreffenden (niedrigen) Umsatzsteuerbetrag und dem angebenen (höheren) Umsatzsteuerausweis eine Haftung des Rechnungsausstellers (sog. § 14c UStG-Rechnungssteuer). Wenngleich dieser Haftung regelmäßig durch Abführung der Differenz an das Finanzamt nachgekommen würde, ist hiermit ein größerer administrieller Aufwand verbunden, wenn – von der Rechnungsempfängerseite getriebene – Korrekturen im Nachhinein angestoßen werden (s.u.).
  • Das im Entwurf vorliegende BMF-Schreiben enthält des Weiteren Erläuterungen zu Telekommunikationsleistungen, zu Strom-, Gas- und Wärmelieferungen, zu Personenbeförderungen, zu Handelsvertretern und -maklern, zu Gastgewerbeumsätzen in der Nacht zum 1.7.2020 und zum Umtausch von Gegenständen. Ferner geht es auf die – im Prinzip spiegelbildlichen – Verhältnisse bei der (Wieder-)Anhebung der Umsatzsteuersätze zum 1.1.2021 ein.
  • Dem Vernehmen nach wird es keine Anpassung der Umsatzsteuer-Formulare geben. Vielmehr sind in der Umsatzsteuer-Voranmeldung die Zeile 28 (Kennziffern 35 und 36; NICHT: Zeile 62 [Kennziffer 65]) und in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung die Zeile 45 (Kennziffern 155 und 156) zu nutzen.

Eingangsseitig zu empfangende Leistungen

  • Die vorgenannten Grundsätze zu den ausgangsseitig zu erbringenden Leistungen sind auf die empfangenen Leistungen bzw. die hierfür entgegengenommenen Rechnungen zu spiegeln und im Rahmen der Eingangsrechnungsprüfung nachzuhalten.
  • Werden in den entgegengenommenen Rechnungen die genannten Grundsätze nicht befolgt, hat gegebenenfalls ein Hinweis an den Rechnungsaussteller auf entsprechende Korrektur zu erfolgen.
  • Denn zu beachten ist, dass ein Vorsteuerabzug nur in der Höhe der gesetzlich geschuldeten Steuer besteht. Ein zu hoher Umsatzsteuerausweis bzw. Vorsteuerabzug einer sog. „§ 14c UStG- Rechnungssteuer“ (s.o.) ist unzulässig und wäre daher in einem regelmäßig aufwändigen, zwischen Rechnungssteller und Rechnungsempfänger sowie den beteiligten Finanzämtern zu koordinierenden Verfahren zu korrigieren.
  • Des Weiteren sind die herabgesetzten Umsatzsteuersätze bei empfangenen Reverse Charge-Umsätzen sowie bei innergemeinschaftlichen Erwerben zu berücksichtigen und systemisch einzupflegen.

Dem Vernehmen nach soll noch im Juni 2020 die finale Fassung des BMF-Schreibens veröffentlicht werden.

Vorstehendes werden wir, sobald verfügbar, um weitere Informationen ergänzen.

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