Studierende des Master-Studiengangs Schiffbau und Meerestechnik der Hochschule Bremen haben den diesjährigen Design-Wettbewerb der Worldwide Ferry Safety Association (WFSA) gewonnen. Mit ihrem innovativen Entwurf einer sicheren und wirtschaftlichen Eisenbahn-Fähre für den Viktoriasee in Afrika setzte sich das Team gegen internationale Konkurrenz durch.

In diesem Jahr war Kenia das Partnerland für den Wettbewerb. Aufgabe für die Studierenden war es, eine Fracht- und Passagierfähre für eine Verbindung auf dem Viktoriasee zu entwickeln. Die Fähre soll Fahrten zwischen den kenianischen Städten Kisumu und Mbita durchführen. Weiterhin soll die Möglichkeit bestehen, auch Häfen in den Nachbarstaaten Tansania und Uganda anzulaufen.

Eine Schwierigkeit der Aufgabenstellung lag in der großen geforderten Transportmenge von 30 Eisenbahnwaggons bei einer Beschränkung des Tiefgangs der Fähre auf nur 2,5 Meter. Dieser Aspekt ergab sich aus den geringen Wassertiefen des Viktoriasees im Bereich des vorgesehenen Fahrtgebietes. Zusätzlich erschwert wurde die Aufgabe durch die Anforderung, die Mbita-Rosinga Brücke passieren zu können, um weitere Regionen des Viktoriasees mit dem Schiff zu erreichen. Da die Durchfahrtshöhe unter dieser Brücke nur 8 Meter beträgt, hat das Bremer Team ein innovatives Hubdeck vorgesehen: Der gesamte Passagierbereich kann bei Bedarf abgesenkt und nach dem Passieren der Brücke wieder angehoben werden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Entwurfsanforderungen war die Sicherheit der 200 Passagiere an Bord. Die Wetterbedingungen haben sich auf dem Viktoriasee im letzten Jahrzehnt dramatisch verschlechtert – gefährliche Stürme führten unter anderem dazu, dass pro Jahr etwa 3.000 Fischer auf dem See ihr Leben verloren. Der Entwurf der Bremer Studierenden erfüllt deshalb nicht nur die auf dem Viktoriasee geltenden Vorschriften, sondern auch internationale Vorschriften, die für weltweit operierende Seeschiffe angewendet werden. Diese Regeln haben Auswirkungen auf die Seitenhöhe und die wasserdichte Unterteilung des Schiffes sowie auf die Sicherheits-Ausrüstung. Student Niklas Lecker, Team Captain der Bremer Studierenden, erklärt: „Im Seenotfall kann das Schiff über Rutschen und Rettungsinseln schnell evakuiert werden. Die Anzahl der Rettungsmittel wurde so ausgelegt, dass sie auch dann noch ausreichend ist, wenn durch Überladung des Schiffes mehr als die vorgesehenen 200 Passagiere an Bord sein sollten.“

Und weiter führt Lecker aus: „Zur Sicherheit des Schiffes trägt auch der Antrieb durch drei Azimut-Propeller bei, denn auf dem Viktoriasee können dicht wachsende Wasser-Hyazinthen zu einem Problem für die Schifffahrt werden. Die drei Ruder-Propeller bieten ausreichende Redundanz und sind sehr wartungsfreundlich.“

Der Ausschreibung entsprechend werden die Propeller durch moderne Dieselmotoren angetrieben. Die Emissionen des Schiffes liegen deutlich unter den international festgelegten Grenzwerten, und der Entwurf bietet darüber hinaus unter dem Fahrzeugdeck genügend Platz, um den Antrieb später auf LNG oder alternative Brennstoffe umzurüsten.

Positiv wurde von der Jury auch aufgenommen, dass die Studierenden der HSB ein Konzept vorgelegt haben, das den Bau des Schiffes direkt am Viktoriasee vorsieht, und zwar unter Einbeziehung lokaler kenianischer Werften.

Von den 21 Teams, die sich für den diesjährigen Wettbewerb angemeldet hatten, haben schließlich elf Teams aus Afrika, Asien, Europa und Nord-Amerika Entwürfe eingereicht. Den zweiten Platz belegt ein Team der Universität Rostock, den dritten Platz teilen sich drei Teams, zwei vom Singapore Institute of Technology (Newcastle University) und eines aus dem EMSHIP Master-Programm der Universität Rostock.

Die Entwürfe der platzierten Teams werden auf der Ferry Safety Conference im April in New York einem Publikum aus internationalen Experten vorgestellt. Das Gewinner-Team erhält ein Preisgeld von 5.000 Dollar und wird den Entwurf voraussichtlich persönlich anlässlich der offiziellen Preisverleihung während der Konferenz präsentieren.

Damit haben Schiffbau-Studierende der Hochschule Bremen schon zum vierten Mal erfolgreich an diesem Wettbewerb teilgenommen. Prof. Gregor Schellenberger, der mit seinen Kollegen Prof. Dr.-Ing. Hans Gudenschwager und Prof. Dr.-Ing. Andreas Kraus das Projekt im Rahmen einer Lehrveranstaltung betreute, sieht das Konzept der Schiffbau und Meerestechnik Studiengänge der Hochschule durch diesen Erfolg bestätigt: „Hier zahlt es sich aus, dass wir schon in den ersten Semestern des Bachelor-Studiengangs systematisch auf das Thema Entwurf hinarbeiten. Wir beginnen früh, auch die fachspezifischen Grundlagen aus den Bereichen Festigkeit, Konstruktion, Stabilität, Hydrodynamik usw. zu vermitteln. Nur so ist es möglich, dass die Studierenden schon nach relativ wenigen Semestern in der Lage sind, konkurrenzfähige Entwürfe für komplexe und nachhaltige maritime Systeme zu präsentieren.“

Studierende und Professoren sind sich einig, dass der jährliche Design Wettbewerb der Worldwide Ferry Safety Association eine hervorragende Möglichkeit für die Studierenden ist, ihr theoretisches Wissen anhand eines realen Projektes im Team zu erproben und mit innovativen Ideen zur Sicherheit von Fähren in Entwicklungs- und Schwellenländern beizutragen.

Die WFSA mit Sitz in New York ist eine gemeinnützige Organisation, die sich das Ziel gesetzt hat, die Sicherheit von Fährschiffen zu erhöhen. Ein besonderes Interesse gilt hierbei Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen es immer wieder zu dramatischen Schiffsunglücken kommt. Laut WFSA starben allein in den Jahren 2000 bis 2018 auf der südlichen Halbkugel mehr als 7.000 Menschen bei Fährunglücken. Um auf die Sicherheitsprobleme von Fährschiffen in diesen Regionen aufmerksam zu machen und um Studierende maritimer Fachrichtungen zu motivieren, sich mit der Thematik intensiv auseinanderzusetzen, veranstaltet die WFSA jährlich einen Wettbewerb: Hochschulen aus aller Welt werden aufgefordert, ein im Hinblick auf die Schiffssicherheit optimales Design für eine ausgewählte Fährverbindung zu entwickeln. Hierbei sind auch die Bau- und Betriebskosten, lokale Umweltbedingungen und weitere projektspezifische Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.

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