Herr Professor Klein, woran merken Sie, dass Sie überarbeitet sind?
STEFAN KLEIN: Ich werde zwischen 3 und 4 Uhr morgens wach, bin schweißgebadet und habe Alpträume über verpasste Deadlines, ungelöste Konflikte oder Ähnliches. In dieser diffusen Phase zwischen Schlaf und Wachsein wirken Probleme oft viel größer und dramatischer, als sie wirklich sind. Davon berichten viele Menschen – und meistens treten solche nächtlichen Episoden nicht nur einmal auf.
… sondern wiederholen sich.
KLEIN: Genau, so kenne ich das auch. Die ungenügende Regeneration in der Nacht mindert die Leistungsfähigkeit am Tag. Ich schaffe mein geplantes Arbeitspensum nicht, stehe neben mir. Das ist ein richtiger Teufelskreis.
Wie viele Menschen sind von solchen Erschöpfungssyndromen betroffen?
KLEIN: Eine verlässliche empirische Basis gibt es meines Wissens dazu nicht. Aber es gibt Hinweise. Es gibt zum Beispiel Studien in Großbritannien, die nahelegen, dass Schlafmangel geradezu eine Volkskrankheit ist. Wir wissen, dass die meisten Leute gut sieben bis acht Stunden Schlaf pro Nacht brauchen …
… davon können viele Menschen nur träumen.
KLEIN: Ja, das steht zu befürchten. Und Schlafmangel ist nicht nur eine Folge von Überlastung, sondern häufig die Ursache. Schlaf wird als Puffer betrachtet, um Überlast bei der Arbeit auszugleichen, aber auch nächtlicher Medienkonsum erklärt Schlafmangel. Die zunehmende Erschöpfung ist eine Bedrohung für Gesundheit und Wohlergehen.
Welchen Schaden richtet dieser Schlafmangel an?
KLEIN: Es gibt Studien, die belegen, welche negativen Effekte es hat, wenn zum Beispiel der Vorgesetzte chronisch erschöpft ist. Das untergräbt die Leistung des Teams, der Abteilung und letztlich der ganzen Organisation. Häufig merken die anderen die Symptome von Schlafmangel vor den Betroffenen selber.
Hinzu kommt, dass viele Menschen quasi permanent erreichbar sein müssen.
KLEIN: Absolut. Arbeit ist fragmentierter als früher. Neue Technologien bewirken eine dramatische Beschleunigung fast aller Prozesse, gleichzeitig gibt es mehr Unterbrechungen und Störungen. Die Möglichkeit, erreichbar zu sein, wird in vielen Fällen – gedankenlos oder zynisch – missbraucht und in die Erwartung der permanenten Erreichbarkeit gewendet.
Was tun Sie selbst, wenn Sie merken, dass Sie überarbeitet sind?
KLEIN: Ich versuche, so schnell wie möglich gegenzusteuern. Das heißt vor allen Dingen: mehr schlafen. Ausgeruht bin ich nicht nur produktiver, sondern mein gesamtes Wohlempfinden bessert sich. Ich schaffe mir dafür bewusst Freiräume.
Im Sustainable High Performance Program geht es um Höchstleistungen und Nachhaltigkeit. Schließen diese beiden einander nicht wechselseitig aus?
KLEIN: Eben nicht – denken Sie zum Beispiel an den Basketballer Dirk Nowitzki. Der hat über die Jahre eine beeindruckende Karriere hingelegt, deutlich länger und erfolgreicher als viele seiner Kollegen. Darauf angesprochen, nennt er einen auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Lebensstil: Ausgleich und Regeneration, Ernährung und Selbstdisziplin und so weiter.
Das heißt, Sie fragen nach dem Kontext der Leistung?
KLEIN: Genau. Sie können die Leistung eines Sportlers nicht losgelöst von Vor- und Nachbereitung, Training und Regeneration betrachten. Genauso betrachten wir auch die Leistung der Führungskräfte, mit denen wir zusammenarbeiten. Es kommt nicht nur darauf an, was tagsüber im Büro passiert. Wichtig ist auch, wie ich den Rest meiner Zeit verbringe. Ganz entscheidend ist aber, welche Bedeutung, welchen Sinn die Arbeit in meinem Leben hat.
Was meinen Sie damit?
KLEIN: Arbeit kann verschiedene Bedeutung haben. Ich kann meinen Job einfach nur machen, um die Miete zu bezahlen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass meine Arbeit für mich identitätsstiftend ist. Dabei bestimmt nicht die Tätigkeit per se die Bedeutung der Arbeit, sondern welche Bedeutung ich der Arbeit gebe und in der Arbeit finde.
Was heißt das konkret?
KLEIN: Wenn meine Arbeit für mich identitätsstiftend ist, dann verbinde ich mit ihr eine Vision und einen Sinn. Das steigert meine Motivation und gibt mir zusätzliche Ressourcen.
… und dadurch wird Leistung auf hohem Niveau nachhaltig.
KLEIN: Ja. Wenn meine Arbeit mich erfüllt, dann bin ich deutlich leistungsfähiger und resilienter – und das ist genau das, was wir mit nachhaltiger Performance meinen.
Oft ist das Gegenteil der Fall – die Leute verausgaben sich bis zur totalen Erschöpfung, wissen aber gar nicht, wozu.
KLEIN: Das ist für Unternehmen ein großes Risiko. Die verlieren ihre besten Leute, oft innerhalb weniger Jahre. Mit unserem Programm wollen wir Unternehmen ein Instrument an die Hand geben, um dieses Problem proaktiv anzugehen.
Welche Methoden kommen dabei zum Einsatz?
KLEIN: Mehrere – wie beim Leistungssport. Da arbeitet der Athlet mit seinen Biodaten, mit seinem Coach, mit einem Trainingsplan und so weiter. Wir setzen auf ähnliche Instrumente: Coaches liefern eine Außenperspektive; 24-Stunden-Messungen der Herzfrequenzvariabilität liefern Biodaten, die wie ein Spiegel Einblick in unsere Leistungs- und Regenerationsfähigkeit vermitteln, vor allem wenn sie mit Tagebuchaufzeichnungen über die Meßperiode kombiniert werden. Unsere Eingangsfrage ist aber für alle Teilnehmer immer dieselbe: Denkst du, dass du dein gegenwärtiges Leistungsniveau auch in fünf Jahren noch halten kannst?
Was antworten die Leute?
KLEIN: Die meisten kommen erstmal ins Grübeln.
Warum?
KLEIN: Weil wir uns diese Frage nicht stellen. Im Alltag reagieren wir meistens auf externe Anforderungen. Langfristig ist das aber keine gute Strategie. Um unser Leistungsniveau dauerhaft zu halten, müssen wir unser Tun steuern. Wir müssen Grenzen ziehen, auch mal Nein sagen. In ganz vielen Gesprächen mit Leistungsträgern stellen wir fest: Wer bewusst weniger tut, ist produktiver. Mit unserem Programm wollen wir den Teilnehmern helfen, genau das zu tun.
Wie ist das Programm aufgebaut?
KLEIN: Kern des Programms sind zwei zweitägige Workshops. In diesen Workshops werden die biometrischen Messungen durchgeführt und ausgewertet, außerdem simulieren wir konkrete Stresssituationen mit Seminarschauspielern und lernen verschiedene Achtsamkeitstechniken kennen. Das Programm ist aber nicht auf zweimal zwei Tage beschränkt: Wir legen Wert darauf, dass die Teilnehmer die Inhalte des Programms in ihren Alltag transferieren.
Wie gewährleisten Sie das?
KLEIN: Die Workshops werden virtuell vor- und nachbereitet: Wir nutzen die App Leada, um die Inhalte aus den Workshops zuverlässig in den Alltag der Teilnehmer zu transferieren. Dadurch haben die Teilnehmer außerdem Gelegenheit, ihr Verhalten langfristig zu reflektieren und gegebenenfalls auch mit einem Coach zu arbeiten. Insgesamt erreichen wir dadurch einen hohen Lerntransfer und gewährleisten so, dass die Teilnehmer ihr Leistungsniveau tatsächlich verbessern – und das oft, indem sie weniger tun!
Das SUSTAINABLE HIGH PERFORMANCE PROGRAM von ERCIS und SYNK GROUP startet im Herbst 2019. Ansprechpartner sind David Liebnau (SYNK) und Stefan Klein (ERCIS).
Mehr Infos zum Programm finden Sie hier.
Die SYNK GROUP begleitet seit 2001 DAX-Konzerne und mittelständische Unternehmen in Change- und Leadership-Prozessen. Das Sustainable High Performance Program wird federführend von David Liebnau (SYNK) und Stefan Klein (ERCIS) umgesetzt.
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